Der Ameisenigel und der mosaikartige Ursprung der Säugetier-Embryonen

Als vor etwa 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausstarben, hatten sich bereits die ersten, reptilienartigen Säugetiere entwickelt. Ihre Nachfahren sollten einmal die ganze Erde bevölkern – und der Menschen sogar in das Weltall vordringen. Zwei wichtige Merkmale ermöglichten ihren evolutionären Erfolg: das Heranreifen der Embryonen im Mutterleib und der namensgebende Milchsäugemechanismus der Jungtiere. Durch das Muttertier in dieser frühen Lebensphase beschützt, wird die Überlebenswahrscheinlichkeit stark erhöht.

Jetzt ging ein Forscherteam der Universität Zürich den Ursachen dieser gewaltigen Veränderungen auf den Grund. Ingmar Werneburg und Marcelo Sánchez vom Paläontologischen Institut der Universität Zürich verglichen die äusserst seltenen Embryonen des australischen Ameisenigels Tachyglossus aculeatus. Dieser gehört mit dem Schnabeltier zu den Kloakentieren, der ursprünglichsten Säugetiergruppe, die noch Eier legt. Die Zitzen der Kloakentiere sind noch nicht ausgebildet, aber die Jungen lecken die Milch von einem Milchdrüsenfeld vom Bauch der Mutter ab.

Das Geheimnis der Embryologie

Werneburg untersuchte in den Embryonen von 23 Wirbeltierarten, in Salamandern, Schildkröten, Vögeln, Krokodilen und Echsen über 100 klar definierte Entwicklungsmerkmale. Er verglich ihr zeitliches Auftreten untereinander und stellte zahlreiche Verschiebungen in den Entwicklungssequenzen fest. Diese Veränderungen konnten auf einem Stammbaum visualisiert werden.

In ihrer bei „Acta Zoologica“ publizierten Studie stellen die Forscher eine mosaikartige Embryonalentwicklung der ursprünglichen Säugetiere vor. Zum einen reifen die Jungen der Kloakentiere wie die Reptilien in Eiern heran. Sie entwickeln kurzzeitig einen so genannten Eizahn am vorderen Rand des Oberkiefers, mit dem sie das Ei von innen her aufschlitzen müssen, um schlüpfen zu können. Zum anderen entwickeln sich die Sinnesorgane Augen und Ohren bei allen Säugetieren im Gegensatz zu den Reptilien relativ langsam. So sind beispielsweise bei Meerschweinchen die Augen noch lange nach der Geburt verschlossen.

Allerdings entwickeln sich bei den Säugern der Kiefer- und Halsapparat sehr viel schneller als bei den Reptilien. Da Säugetiere in der frühen Lebensphase vom Muttertier beschützt werden, ist es effektiver, die energiereiche Entwicklung der Sinnesorgane hintenan zu stellen und die Organe der komplizierten (säugenden) Nahrungsaufnahme schneller zu entwickeln.

Reptilien hingegen müssen sich kurz nach dem Schlupf vor Feinden schützen und selbst Nahrung finden. Dazu benötigen sie sofort gut ausgebildete Sinnesorgane. Der Fressmechanismus ist überdies einfacher. Während sie für das Zuschnappen vor allem die Kiefermuskulatur benötigen, sind beim Saugen der Säugetiere auch frühzeitig entwickelte Hals- und Zungenmuskeln von grosser Bedeutung.

Der Ameisenigel selbst stellt nicht den prototypischen Ursäuger dar. Wie jede Tierart ist auch er durch zahlreiche einzigartige Merkmale charakterisiert, die oft unabhängig voneinander in der Evolution entstanden sind. So betonen die Forscher, dass die vorgezogene Entwicklung der Vorderbeine bei Kloaken- und Beuteltieren eine parallele Entwicklung darstellt, angepasst an das frühe Kletterverhalten der Jungtiere am Bauchfell der Mutter.

Die entscheidenden Veränderungen, die zum erfolgreichen Zeitalter der Säugetiere, und nicht zuletzt auch des Menschen geführt haben, lassen sich bereits in der frühen Embryonalentwicklung ablesen. Um weitere Details für diese bedeutende Phase der Evolution zu verstehen, sind zahlreiche Studien der Vergleichenden Anatomie nötig, einem Forschungszweig, der noch am Anfang seiner eigenen Entwicklung steht.

Veröffentlichung:
Werneburg I, Sánchez-Villagra MR (2010). The early development of the echidna, Tachyglossus aculeatus (Mammalia: Monotremata) and patterns of mammalian development. Acta Zoologica.

doi: 10.1111/j.1463-6395.2009.00447.x

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Beat Müller idw

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