Alzheimer: Protein-Klumpen im Gehirn

Über dem Gelände liegt ein Brummen. Metallisch, nicht sehr tief, markant – ausgelöst von der Stromversorgung riesiger Magnete. Sie sind notwendig, um die Elektronen abzulenken, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch die Speicherringe DESY, DORIS und PETRA 3 flitzen.

Dadurch werden jede Menge Lichtteilchen (Photonen) aus Materie heraus gekitzelt. Gebündelt ergeben sie einen sehr hellen, energiereichen Photonenstrahl, mit dem man beispielsweise Proteine sehr genau unter die Lupe nehmen kann. 3.000 Gastforscher aus aller Welt kommen jährlich zu diesem Zweck an das Deutsche Elektronen-Synchrotron, kurz DESY, nach Hamburg.

Eckhard und Eva-Maria Mandelkow sitzen dagegen direkt an der Quelle. Sie arbeiten mit DORIS – für die beiden Wissenschaftler, die schon viel Licht ins Dunkel der Entstehung von Morbus Alzheimer gebracht haben, „die ultimative Taschenlampe“.

Zu den Mandelkows? Der Pförtner greift wortlos zu einem umfangreichen Geländeplan und markiert mit dickem schwarzem Filzstift den Weg zu den Max-Planck-Arbeitsgruppen für Strukturelle Molekularbiologie. Gut 10 Minuten Fußweg – wenn Sie zügig gehen“, fügt er schmunzelnd an. 80 Gebäude umfasst das Areal, das Ausmaße eines kleinen Stadtteils hat. Da kann man sich schon mal verirren, auch wenn man noch jung und fit ist. Einem dementen Menschen dagegen würde wohl selbst der beste Plan nichts nützen.

Alzheimer – die Diagnose ist immer ein Schock. Für die Betroffenen selbst, aber auch für ihre Angehörigen. Denn es hat etwas begonnen, was sich nicht mehr aufhalten lässt: Der Verlust der Erinnerung – an Erfahrungen, Erlerntes, Gelebtes, Geliebtes, Alltägliches und am Ende sogar das Bewusstsein seiner selbst.

Die Ursachen der Erkrankung liegen noch weitgehend im Dunkeln. Die Folgen sind schon zu Lebzeiten klar zu erkennen, eindeutig werden sie bislang aber erst nach dem Tod des Patienten: Proteinablagerungen und ein unübersehbarer Verlust von Nervenzellen, vor allem im Hippocampus, jenem Teil des Gehirns, in dem das Gedächtnis seinen Platz hat.

Das Gedächtnis ist wie eine persönliche Bibliothek. Man kann sie betreten, wann immer man möchte, einzelne Bücher hervorziehen und sich zurückversetzen an Orte, in Situationen, selbst wenn sie Jahrzehnte zurückliegen. Ein Foto, ein Duft, ein Geräusch, manchmal nur ein besonderer Lichteinfall und längst vergessen geglaubte Bilder tauchen auf, stoßen Gedankenketten an. Ein Licht wie damals in Siena, am frühen Nachmittag. September ‘94 war das… die cognacfarbenen Schuhe hatte ich eben gekauft, da kamen wir an dieser kleinen Pasticceria vorbei. Es roch fantastisch! Nach warmen Mandelkeksen… die hießen … richtig, Ricciarelli … und das Café …? Einen Tag später ist auch der Name wieder präsent: „Café Nannini“.

Doch was, wenn plötzlich ein Buch fehlt? Dann mehrere? Später sind komplette Jahrgänge, ja ganze Epochen, wie vom Erdboden verschwunden. Und irgendwann liegen nur noch einzelne, bereits zerlesene Erzählungen aus Kindheit und Jugend verloren in den leeren Regalen. Und die liest man, fast zwanghaft, wieder und wieder. So ähnlich muss sich ein Mensch fühlen, der Alzheimer hat. …

Vollständige Pressemitteilung siehe: http://www.mpg.de/1157455/alzheimer_gedaechtnis_tau

Dr. Eva-Maria Mandelkow
Max-Planck-Arbeitsgruppen für strukturelle Molekularbiologie am DESY, Hamburg
Telefon: +49 40 8998-2810
Fax: +49 40 897168-10
E-Mail: eva.mandelkow@mpasmb.desy.de

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Catarina Pietschmann Max-Planck-Gesellschaft

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