Aggressives männliches Paarungsverhalten kann Art gefährden

Ob das Verhalten des Individuums in der Lage ist, Prozesse auf der Ebene der Population oder der Art zu beeinflussen – über diese Frage wird in der Evolutionsbiologie seit langem debattiert. Kontrovers beurteilt wird speziell die Möglichkeit der Selektion auf Artenebene.

Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung von Daniel Rankin, Evolutionsbiologe an der Universität Zürich, weist nun mit Hilfe eines mathematischen Modells nach, dass aggressives männliches Sexualverhalten nicht nur das einzelne Weibchen schädigt, sondern ganze Populationen zum Aussterben bringen kann. Die kürzlich in der Fachzeitschrift «The American Naturalist» publizierte Forschungsarbeit wurde dank Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds ermöglicht.

Für ihre Studie orientieren sich die Wissenschaftler am extremen Sexualkonflikt von Samenkäfern. Sie gelten in der Landwirtschaft als Schädlinge. Männliche Samenkäfer haben mit Stacheln bewehrte Genitalien, mit denen sie es dem Weibchen verunmöglichen, einen unerwünschten Sexualpartner abzuschütteln. Die aggressiven Männchen haben eine höhere Fortpflanzungsrate, da sie sich gegenüber weniger aggressiven Männchen besser durchsetzen, verletzen aber die Weibchen bei der Paarung. Die Forscher zeigen nun, dass der höhere Paarungserfolg von aggressiven Männchen dazu führen kann, dass Männchen einer Art generell aggressiver werden. Die Aggressionsspirale hat dramatische Konsequenzen für die Population bzw. die Art: Bei der Paarung werden mehr Weibchen verletzt und sterben als Folge der Verletzungen. Dies führt dazu, dass Weibchen als Ressource für die Männchen immer seltener werden und die Art letztlich ausstirbt. Individualinteressen und Interessen der Population stehen im vorliegenden Fall in scharfem Gegensatz zueinander.

In der Ökonomie werden sich so zuwiderlaufende Individual- und Gruppeninteressen als Prinzip der «Tragik des Allgemeinguts» bezeichnet. Dieses Prinzip beschreibt die Übernutzung von Kollektivgütern und dient u.a. zur Beschreibung von menschlichen Dilemmas im Zusammenhang mit Umweltverschmutzung und Klimawandel. In der Natur wird die «Tragik des Allgemeinguts» dadurch limitiert, dass aggressives Verhalten für das Individuum zu kostspielig ist. Dies erklärt auch, weshalb Sexualkonflikte in der untersuchten Schärfe nicht überall beobachtet werden können. Arten mit einer zu hohen Verletzungsrate bei der Fortpflanzung haben sich im Lauf der Evolution selbst zum Aussterben gebracht. Im untersuchten Fall besteht die weibliche Gegentaktik darin, aggressive Männchen zu meiden.

«In der Natur gibt es viele Beispiele für Tragiken des Allgemeinguts», erläutert Daniel Rankin. Er meint, dass das Verständnis, wie die Natur die «Tragik des Allgemeinguts» löst, auch die Strategien zum Lösen von menschlichen Problemen inspirieren könnte.

Literatur:
Daniel J. Rankin, Ulf Dieckmann and Hanna Kokko: Sexual conflict and the tragedy of the commons. In: The American Naturalist. Vol 177, June 2011. http://www.zora.uzh.ch/42049/
Kontakt:
Dr. Daniel J. Rankin
Universität Zürich
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften,
Tel. + 41 44 635 61 48
Mob +41 78 648 99 05
E-Mail daniel.rankin@ieu.uzh.ch

Media Contact

Beat Müller idw

Weitere Informationen:

http://www.mediadesk.uzh.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer