Ähnlichkeiten führen zu falsch gefalteten Proteinen

Proteine sind die zentralen molekularen Maschinen in unserem Körper. Sie erfüllen eine grosse Bandbreite von Funktionen, von der Verdauung und Verarbeitung von Nährstoffen über die Umwandlung von Energie und die Strukturierung von Zellen, bis zur Übermittlung von Signalen in Zellen und im gesamten Körper.

Um diese hochspezifischen Funktionen erfüllen zu können, müssen Proteine eine wohldefinierte dreidimensionale Struktur annehmen. Bemerkenswerterweise finden sie diese Struktur in den meisten Fällen ohne fremde Hilfe, nachdem sie in der Zelle als langes Kettenmolekül aus ihren Einzelbausteinen, den Aminosäuren, gebildet wurden.

Dieser Prozess der Faltung von Proteinen kann allerdings auch fehlschlagen, was dann dazu führt, dass die betroffenen Proteine ihre Funktion nicht mehr ausüben können. In manchen Fällen kann dies sogar noch weitreichendere Folgen haben, wenn diese falsch gefalteten Proteine verklumpen und neurodegenerative Krankheiten wie Morbus Alzheimer oder Parkinson auslösen.

Eine wichtige Bedingung in der Entwicklung von Proteinen im Laufe der Evolution war dementsprechend, derartige «Fehlfaltungsprozesse» zu vermeiden. Dies ist allerdings nicht einfach, denn die gleichen molekularen Wechselwirkungen, die die korrekte Struktur des einzelnen Proteins stabilisieren, können auch zu Wechselwirkungen zwischen Proteinmolekülen und damit zu ihrer Fehlfaltung führen.

Forscherinnen und Forscher der Universitäten Zürich und Cambridge haben jetzt eine spezielle spektroskopische Methode verwendet, die Einzelmolekülfluoreszenzspektroskopie, um herauszufinden, unter welchen Voraussetzungen Fehlfaltung stattfindet. Die Gruppe um Prof. Benjamin Schuler von der UZH untersuchte Teile des grössten Proteins unseres Körpers, des Titins. Dieses trägt in den Muskeln zur Stabilität und Elastizität der Muskelfasern bei. Man geht davon aus, dass bei starker Belastung des Muskels einzelne Teile des Titins, die Domänen, sich entfalten können, um eine Beschädigung des Muskelgewebes zu verhindern. Wenn sich der Muskel wieder entspannt, besteht die Gefahr, dass sich diese entfalteten Domänen falsch zusammenlagern. Diese Gefahr besteht in ähnlicher Form auch für andere Proteine, die aus mehreren Domänen bestehen.

Für ihre Studie haben die Forschenden kleine Farbstoffmoleküle als Sonden im Protein angebracht. «Mit unserer laserspektroskopischen Methode konnten mittels Energietransfer zwischen den Sonden Abstände auf molekularer Skala bestimmt werden, also im Bereich einiger Millionstel Millimeter», erklärt Prof. Benjamin Schuler. So liessen sich die Strukturen richtig und falsch gefalteter Proteine unterscheiden und damit der Anteil an Fehlfaltung bestimmen.

«Die Untersuchung verschiedener Domänen des Titins in unseren Experimenten hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit der Fehlfaltung steigt, wenn benachbarte Domänen sich in der Abfolge ihrer Aminosäuren sehr ähnlich sind», sagt Prof. Schuler. Dies ist anscheinend der Grund dafür, dass in Proteinen die benachbarten Domänen eine geringe Ähnlichkeit haben. «Offenbar handelt es sich dabei um eine wichtige evolutionäre Strategie, um die Fehlfaltung von Proteinen zu vermeiden und so ihre maximale Funktionalität zu gewährleisten», so Schuler.

Literatur:
Borgia, Madeleine, Borgia Alessandro, Best, Robert B., Steward Annette, Nettels Daniel, Wunderlich, Bengt, Schuler Benjamin & Clarke Jane: Single-molecule fluorescence reveals sequence-specific misfolding in multidomain proteins, in: Nature, doi:10.1038/nature10099.
Kontakt:
Prof. Benjamin Schuler
Institut für Biochemie
Universität Zürich
Tel. +41 44 63 55535
E-Mail: schuler@bioc.uzh.ch

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Beat Müller Universität Zürich

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