60 Jahre später: Neue Seerosenart in Kanada entdeckt / Evolution nordamerikanischer Seerosen

Die neubeschriebene Seerosenart Nymphaea loriana ist im Norden Kanadas heimisch. © T. Borsch and C.B. Hellquist

Botaniker wussten den Fund nicht einzuordnen. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat das Rätsel nun gelöst: es ist eine eigene Art. Sie wurde gerade unter dem Namen Nymphaea loriana in der renommierten Zeitschrift Botany veröffentlicht.

An der Entdeckung beteiligt waren die führenden Experten für Seerosen Thomas Borsch und seine Arbeitsgruppe am Botanischen Garten und Botanischen Museums Berlin-Dahlem der Freien Universität Berlin sowie US-Forscher, unter anderem des Massachusetts College of Liberal Arts.

Schon von früheren Botanikern wurde bemerkt, dass diese Seerosen aus Saskatchewan und Manitoba gewisse Ähnlichkeiten mit zwei anderen Seerosenarten, nämlich der Wohlriechenden Seerose (Nymphaea odorata) und Leibergs Seerose (Nymphaea leibergii) aufweisen. Es wurde daher vermutet, dass es sich bei den beobachteten kanadischen Seerosen um einen Bastard (Hybrid) handelt.

Dagegen sprach jedoch, dass nur eine der möglichen Elternarten in unmittelbarer Nachbarschaft gefunden wurde, während sich die nächsten Populationen der Wohlriechenden Seerose mehr als 600 km entfernt südlich befinden. Dagegen sprach auch, dass sich diese Seerosen im Gegensatz zu echten Bastarden generativ fortpflanzen, also keimfähige Samen und ebenso fortpflanzungsfähige (d.h. fertile) Nachkommen bilden. Nach dem biologischen Artbegriff gehören all die Individuen zu einer Art, die sich untereinander fruchtbar fortpflanzen können.

Licht ins Dunkle brachte jetzt eine vergleichende Untersuchung von Seerosenpopulationen in weiten Teilen Nordamerikas mit einem integrierten Ansatz aus molekularer Phylogenetik, Biogeographie und Morphologie. Durch eine Analyse der Erbinformationen aus Zellkern und Chloroplasten der Seerosen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass diese fertilen Seerosen in der Tat durch eine historische Hybridisierung aus Vorfahren der beiden Arten Nymphaea odorata und Nymphaea leibergii entstanden.

Es wird angenommen, dass diese beiden Arten vor etwa 6000 Jahren zusammentrafen, als sich das Klima nach der letzten Eiszeit erwärmte und sich die Verbreitungsgebiete der Seerosen veränderten. Die zwei Arten kreuzten sich und aus den Hybriden bildete sich schlussendlich durch Neukombinationen im Erbgut eine neue Art. Die Entstehung dieser Art erfolgte demzufolge erst in der jüngeren Erdgeschichte, nach der letzten Eiszeit.

Der Fall zeigt, dass selbst bei großen, auffälligen Blütenpflanzen in gemäßigten bis borealen Breiten (die im Gegensatz zu den Tropen artenarm sind und gut untersucht) noch nicht alle Arten beschrieben sind und evolutionsbiologische Analysen zu neuen Erkenntnissen führen.

Seerosen sind heute auf der ganzen Welt beheimatete krautige Wasserpflanzen. Die größte Gattung ist Nymphaea mit über 50 Arten. Auch die in Europa, Asien und Nordamerika verbreiteten Mummeln (Nuphar) gehören mit einem Dutzend Arten zur Entwicklungslinie der Seerosen.

Die Seerosen (Ordnung Nymphaeales) sind eine der ältesten Entwicklungslinien der Blütenpflanzen. Im Stammbaum der Blütenpflanzen zweigen sie direkt nach der urtümlichen neu-kaledonischen Amborella als zweiter Ast ab. Mit dieser frühen Abspaltung vor ca. 110 Mio. Jahren und der heute fast weltweiten Verbreitung sind die Nymphaeales eine Modellgruppe, an der wichtige Erkenntnisse über die frühe Evolution von Blütenpflanzen gewonnen werden.

Seerosen haben in schrittweiser Anpassung an den aquatischen Lebensraum „schwimmen gelernt“. Eine bemerkenswerte Koevolution mit Bestäubern förderte die Evolution großer Blüten. Die Modellgruppe Nymphaeales erlaubt daher die Analyse von Evolutionsprozessen in Anpassung an neue Lebensräume.

Publikation des Artikels:

Borsch, T., Wiersema, J. H., Hellquist C. B., Löhne, C., & Govers, K. (2014): Speciation in North American water lilies: evidence for the hybrid origin of the newly discovered Canadian endemic Nymphaea loriana sp. nov. (Nymphaeaceae) in a past contact zone. Botany 92: 867–882
doi: 10.1139/cjb-2014-0060 (available via http://dx.doi.org/ )
Online http://www.nrcresearchpress.com/doi/abs/10.1139/cjb-2014-0060#.VG2vBU10yUk

Pressefotos:

http://www.bgbm.org/de/presse/pressefotos#Seerose_Kanada  – Pressefotos

Weitere Information geben Ihnen gern:

Prof. Dr. Thomas Borsch, Direktor,
Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem und Institut für Biologie/Botanik, Freie Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-50133, E-Mail: direktor@bgbm.org

Dr. Cornelia Löhne
Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Freie Universität Berlin,
Telefon: 030 / 838-50133, E-Mail: c.loehne@bgbm.org

Weitere Informationen:

http://www.bgbm.org/de/presse/pressefotos#Seerose_Kanada  – Pressefotos
http://www.nrcresearchpress.com/doi/abs/10.1139/cjb-2014-0060#.VG2vBU10yUk  – Publikation

Media Contact

Gesche Hohlstein idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer