Welche Mehrsprachigkeit zählt in Europa?

Schülerinnen und Schüler einer Linzer Schule sollen in der Pause nur noch Deutsch sprechen: Mehrsprachigkeit nicht erwünscht. Doch Europa rühmt sich stolz seiner sprachlichen Vielfalt: Mehrsprachigkeit sehr wohl erwünscht.

Im Rahmen des LINEE-Forschungsnetzwerkes arbeiten LinguistInnen der Universität Wien mit 24 Kooperationspartnern in ganz Europa, um solchen Widersprüchen auf den Grund zu gehen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass selbst ExpertInnen Mehrsprachigkeit unterschiedlich verstehen.

Im Rahmen des europäischen Forschungsnetzwerkes LINEE versuchen WissenschafterInnen des Instituts für Romanistik der Universität Wien einen Einblick in die Planung und Förderung der europäischen Mehrsprachigkeit zu gewinnen. Ziel ist es herauszufinden, welche Wirkung Mehrsprachigkeit haben kann und wodurch sie beeinflusst wird. Die Universität Wien arbeitet dabei mit Universitäten aus acht verschiedenen europäischen Ländern zusammen.

Kinder mit Migrationhintergrund: Mehrsprachigkeit als Defizit?

Das Erreichen eines gewissen Grades an Mehrsprachigkeit ist ein klares Ziel der Bildungssysteme der untersuchten Länder. Im Widerspruch dazu steht, dass bei MigrantInnen Mehrsprachigkeit weniger als Reichtum denn als Störfaktor und Defizit behandelt wird. In vielen Fällen konzentrieren sich die Schulen darauf, was Kinder mit Migrationhintergrund nicht oder ungenügend beherrschen, nämlich die jeweilige Landessprache. Die Tatsache, dass diese Kinder oft in mehreren anderen Sprachen kommunizieren können, wird nicht als gewinnbringende Stärke wahrgenommen.

Englisch – die eigentliche Bedrohung der europäischen Mehrsprachigkeit?

Aus der bisherigen Untersuchung geht hervor, dass von der Kenntnis der englischen Sprache am meisten Gewinn erwartet wird. Andererseits wird Mehrsprachigkeit verstanden als kultureller Schatz und als Eigenheit, welche den vielschichtigen Charakter der europäischen Identität ausmachen. In diesem Zusammenhang wird die Dominanz von Englisch weniger als Segen, sondern bisweilen sogar als Bedrohung wahrgenommen. Mehrsprachigkeit verhilft nicht zu Reichtum, sie ist Reichtum.

Sprache – eine Frage der Macht?

Bei allen unterschiedlichen Auffassungen darüber, was Mehrsprachigkeit ist, gibt es im Rahmen der zahlreichen einzelnen Forschungsprojekte gemeinsame Erkenntnisse: Mehrsprachigkeit ist eng verknüpft mit dem Begriff Identität und wird von Ideologien beeinflusst. Im Umgang mit Mehrsprachigkeit spielen Machtverhältnisse eine wichtige Rolle. Das zeigt sich ganz besonders bei MigrantInnen: Im Vergleich zu nationalen sprachlichen Minderheiten werden ImmigrantInnen benachteiligt und ihre Fähigkeiten kaum genutzt.

LINEE-Forschungsnetzwerk

LINEE (Languages In a Network of European Excellence) ist ein europäisches wissenschaftliches Netzwerk, das für die Zeit von 2006 bis 2010 von der europäischen Kommission teilfinanziert wird. Neben der Universität Wien sind an dem Netzwerk folgende Universitäten beteiligt: Universität Bern, die Charles University in Prag, die Freie Universität Bozen, das Institute for Anthropological Research in Zagreb, die University of Southampton, die University of Szeged, die University of Applied Languages in München und schließlich die Adam Mickiewicz University in Poznan.

Kontakt
Univ.-Prof. Mag. Dr. Rosita Schjerve-Rindler
Institut für Romanistik
Universität Wien
1090 Wien, Garnisongasse 13
T +43-1-4277-426 24
rosita.schjerve-rindler@univie.ac.at
Rückfragehinweis:
Mag. Veronika Schallhart
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 30
M +43-664-602 77-175 30
veronika.schallhart@univie.ac.at

Media Contact

Veronika Schallhart idw

Weitere Informationen:

http://www.linee.info

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Bildung Wissenschaft

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer