Mehr „Spielplätze“ für die Wissenschaft

Freiheit und Kreativität sind die Basis für Erkenntnis – und damit für Innovationen in Wissenschaft und Gesellschaft. Dieses Fazit zum Thema „Erkenntnistransfer“ ist nur eines der Ergebnisse des neunten Emmy Noether-Treffens vom 16. bis zum 18. Juli 2010 in Potsdam. Wie in jedem Jahr trafen sich dort Geförderte und Ehemalige im Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das mit der Einrichtung von Nachwuchsgruppen die frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit exzellenter junger Forschender fördert. Neben diesen waren auch wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Starting Grants des European Research Council (ERC) erhalten haben, vertreten.

Der Erkenntnistransfer und das Verhältnis von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung stand, auch anknüpfend an die Rede des DFG-Präsidenten Professor Matthias Kleiner im Rahmen der Jahresversammlung der DFG Anfang Juli, gleich in zwei Veranstaltungen im Mittelpunkt. Darüber hinaus bot das Treffen neben weiteren Vorträgen viel Raum für Austausch und Diskussion. Die Themen reichten von Fragen zur Förderung – auch im europäischen Rahmen oder dem Human Frontier Science Program – bis zur „Emmy Noether Lecture“, die eindrucksvoll zeigte, dass Kunstgeschichte nicht nur „hübsche Bilder“ liefert, sondern vor allem zum Verständnis gesellschaftlicher Strukturen und Veränderungen beiträgt.

Unter dem Titel „Vom Nutzen der Wissenschaft – Grundlagenforschung versus Anwendungsperspektive?“ beleuchteten am Wissenschaftspolitischen Abend am Freitag Professor Erich Reinhardt, ehemaliges Mitglied des Senats der DFG und des Vorstands von Siemens, Professor Annette Grüters-Kieslich, Dekanin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Professor Günther Schauerte, Stellvertretender Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, das Thema „Erkenntnistransfer“ aus ihren jeweiligen fachlichen Blickwinkeln. Die Diskussion mit DFG-Präsident Matthias Kleiner und den Teilnehmenden zeigte auf, dass eine Abgrenzung zwischen Grundlagenforschung und Angewandter Forschung oft nicht möglich – und in vielen Fällen auch nicht nötig – erscheint. Wichtig sind hingegen „Spielplätze“, auf denen Forschende frei, kreativ und im Austausch arbeiten können. Dazu sind neben dem interdisziplinären „Über-den-Tellerrand-Schauen“ auch gegenseitiges Verständnis sowie geeignete Strukturen und „Spielregeln“ nötig. Das Ergebnis sind innovativere Erkenntnisse und Produkte – aber auch Menschen, die mit wissenschaftlich fundierter Bildung zu zukünftigem Wohlstand beitragen.

Im Workshop „‚Zweckfrei‘ heißt nicht ‚ergebnisfrei‘“ hatte Professor Detlev Leutner, Mitglied des Senats der DFG, zuvor die Randbedingungen der neuen Fördermöglichkeiten der DFG aufgezeigt. Aufbauend auf verschiedenen Programmen, die seit Anfang der 1990er-Jahre den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen, sind nun in allen Disziplinen sogenannte Transferprojekte möglich.

In der „Emmy Noether Lecture“ stellte die Kunsthistorikerin Professor Julia Hegewald unter dem Titel „Just pretty pictures?“ ihre Forschungen in Indien vor. Dabei betrachtet sie nicht nur Statuen und Bilder, sondern bezieht vor allem die Architektur, aber auch Textilien und Buchkunst mit ein. Die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe der Wissenschaftlerin befasste sich vor allem mit dem Volk der Jaina, die sich durch eine Religion der kompletten Entsagung auszeichnen. Hegewald, die im September eine Professur in Heidelberg antritt, hat erstmals deren Kultur erfasst und auch deren Niedergang im frühen 12. Jahrhundert dokumentieren können. Darüber hinaus forscht sie interdisziplinär darüber, welche Rolle Symbole für das nationale Verständnis spielen. Als Beispiel führte sie das Regierungsgebäude in Delhi an, das, nach der Unabhängigkeit erbaut, indische ebenso wie europäische Einflüsse aufnimmt und so allen Bürgern als nationales Symbol dienen soll.

Wie in jedem Jahr bot das Emmy Noether-Treffen 2010 auch viel Raum für den Austausch. Die Geförderten organisierten viele der Workshops selbst. Die DFG-Geschäftsstelle bot zusätzlich umfassende Informationen an. Unter anderem berichtete der ehemalige DFG-Präsident Professor Ernst-Ludwig Winnacker von seiner Tätigkeit im Human Frontier Science Program – einer international finanzierten Einrichtung, die exzellente Forschung in den Lebenswissenschaften durch globalen Austausch fördert.

Auch das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ stand wie in jedem Jahr auf dem Programm. Denn gerade die Phase der beruflichen Qualifizierung ist oft auch die der Familiengründung. Dass die Wissenschaft mit hohen Anforderungen an Flexibilität und Leistung hier besondere Anforderungen stellt, während auf der anderen Seite geeignete Betreuungsangebote immer noch Mangelware sind, diskutierten die Teilnehmenden im Rahmen des Emmy Noether-Treffens erneut. Wiederum bewies das Treffen selbst eindrucksvoll, dass exzellente Wissenschaft und Familie Hand in Hand gehen können. Viele der jungen Forschenden hatten ihre Kinder mitgebracht, die von der angebotenen Kinderbetreuung profitierten.

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