Neues Forschungsprojekt zu Kleinkindpädagogik

In der Hoffnung, den Papa doch noch zum Dableiben bewegen zu können, klammert sich Lisa an den Beinen ihres Vaters fest und weint herzzerreißend. Szenen wie diese gehören zum Alltag in Kinderkrippen. Dennoch gelingt es manchen Kindern besser als anderen, den Trennungsschmerz zu bewältigen und nach einer gelungenen Eingewöhnung aktiv und positiv am Alltagsgeschehen in der Kindergruppe teilzunehmen.

Es ist gar keine so leichte Aufgabe, festzustellen, was in diesen Kindern in dieser Zeit des Übergangs von der Familie in die Tagesbetreuung vor sich geht. Im Forschungsprojekt „Die Eingewöhnungsphase von Kleinkindern in Kinderkrippen“ werden deshalb verschiedenste Untersuchungsmethoden eingesetzt, um mehr über das Erleben der durchschnittlich Zweijährigen zu erfahren. Dreimal werden die Kleinen – so das Forschungsdesign – Besuch in der Kinderkrippe bekommen: am ersten Tag, den sie ohne Eltern dort verbringen, nach zwei und dann nochmals nach vier Monaten. Die Eingewöhnungsphase einer kleinen Gruppe von Kindern wird außerdem über mehrere Monate hinweg intensiver beobachtet und analysiert. Außerdem werden die BildungswissenschafterInnen mit Videoaufnahmen arbeiten, Eltern und Betreuungspersonen befragen und die Gesamtqualität der Kinderkrippen einschätzen.

Die ideale Kinderkrippe trägt dem Stresserleben der Kinder Rechnung
Egal, ob anhänglich oder selbstständig: Die erste Zeit in der Kinderkrippe ist für die Sprösslinge auf alle Fälle aufregend. Das spiegelt sich auch – wie jüngste Studien zeigten – in der erhöhten Produktion von Stresshormonen wider. „Physiologische Parameter sagen bloß etwas über Belastungserlebnisse aus, aber nicht über die Qualität der Belastung“, sagt Wilfried Datler. Daher lassen die ForscherInnen die Kinder einmal zuhause und einmal im Kindergarten auf Wattestäbchen kauen, um Werte über die Ausschüttung von Stresshormonen zu bekommen. All die gewonnenen Daten werden dann zusammengeführt, um herauszufinden, wie sich das Erleben der Kinder verändert und welche Hilfestellungen der Eltern und des Betreuungspersonals sich für die Kinder als besonders förderlich erweisen. Bereits bewährt haben sich ein Übergangsobjekt wie ein Stofftier oder auch ein ritualisierter Tagesablauf. Es ist wichtig, das Kind zu trösten und es anzuregen, Interesse an Neuem zu finden. „Weiters gehen wir davon aus“, ergänzt die Projektkoordinatorin Nina Hover-Reisner, „dass es einen Unterschied macht, in welcher Weise der Elternteil oder das Betreuungspersonal dem Kind vermitteln, dass das Erleben von Schmerz oft unvermeidlich ist.“

„Kindergärten und Kinderkrippen werden gerne als Betreuungseinrichtungen bezeichnet, kaum als Bildungseinrichtungen“, macht Bildungswissenschafter Datler auf einen wichtigen Punkt aufmerksam. Ein Projektziel ist es, Grundlagen und Anregungen für die Aus- und Weiterbildung von PädagogInnen, die in Tageseinrichtungen für Kleinkinder arbeiten, zu schaffen. Am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien sind angehende PädagogInnen und BildungswissenschafterInnen aktiv in die Forschung eingebunden. Denn rund hundert Kinder während ihrer ersten Zeit in der Kinderkrippe zu begleiten, ist nur mit engagierten Studierenden möglich. Die zeigen sich begeistert und die vorbereitenden Lehrveranstaltungen, die derzeit laufen, sind gut besucht. Im Herbst geht es dann direkt ins Feld und somit zurück in den Kindergarten, um von den Kleinsten zu lernen.

Die Fakten zum Forschungsprojekt

Das dreijährige Projekt des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) „Die Eingewöhnungsphase von Kleinkindern in Kinderkrippen“ wird von Ao Univ.-Prof. Wilfried Datler geleitet und von Mag. Nina Hover-Reisner koordiniert. Es startete am 1. April 2007 und wird in Kooperationen mit Dr. Katharina Ereky-Stevens von der Universität Oxford, einer ehemaligen Studentin des Instituts für Bildungswissenschaft der Universität Wien, realisiert. Eine weitere Zusammenarbeit besteht mit Univ.-Prof. Dr. Lieselotte Ahnert von der Universität Köln, die über internationale Erfahrungen bezüglich der Untersuchung von physiologischen Parametern in entwicklungspsychologischen Studien verfügt. Lokale Kooperationspartner kommen bislang aus dem Kreis der Städtischen Wiener Kindergärten und des Kindergartenwerks der Erzdiözese Wien.

Kontakt
Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Datler
Institut für Bildungswissenschaft
Universität Wien
1010 Wien, Universitätsstraße 7
T +43-1-310 93 17
M +43-681-106 11 691
wilfried.datler@univie.ac.at oder
wilfried.datler@chello.at
Rückfragehinweis
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