Von der Klimadynamik bis zur Bildungsforschung

DFG bewilligt 16 neue Schwerpunktprogramme


Ab Anfang 2007 wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 16 neue Schwerpunktprogramme fördern. Dies beschloss der Senat der DFG in seiner Sitzung am 6. April. Für die Programme, die aus 47 eingereichten Konzepten ausgewählt wurden, sind in der ersten Förderperiode rund 57 Millionen Euro vorgesehen. Schwerpunktprogramme dienen der deutschlandweiten und internationalen Vernetzung von Forschungsaktivitäten in einem umgrenzten Themengebiet. Sie sollen durch die koordinierte, ortsverteilte Förderung wichtiger neuer Fragestellungen spürbare Impulse zur Weiterentwicklung der Forschung geben. Die Laufzeit von Schwerpunktprogrammen beträgt in der Regel sechs Jahre. Die Zahl der insgesamt geförderten Schwerpunktprogramme liegt mit den neuen Bewilligungen bei 94.

Die neuen Schwerpunktprogramme im Überblick:

Geistes- und Sozialwissenschaften

Das Schwerpunktprogramm „Survey Methodologie“ beschäftigt sich mit einem zentralen Instrument der Sozialforschung: mit wissenschaftlichen Umfragen. Wichtigstes Ziel des Programms ist die Verbesserung der Datenqualität. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten stehen die Weiterentwicklung von Erhebungsformen und neue technische Möglichkeiten der Auswertung und Verarbeitung von Daten. Darüber hinaus soll auch eine höhere Bereitschaft zur Teilnahme an solchen Umfragen erreicht werden. (Koordinator: Prof. Dr. Uwe Engel, Universität Bremen)

Die systematische Überprüfung von Kompetenzen spielt in der Entwicklung von Bildungssystemen und in internationalen Vergleichsstudien wie PISA eine zentrale Rolle. Das Schwerpunktprogramm „Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen“ soll erstmals die Ansätze führender Vertreter der Bildungsforschung zusammenführen, um theoretisch und empirisch fundierte Kompetenzmodelle und adäquate Messverfahren zu entwickeln. (Koordinator: Prof. Dr. Eckhard Klieme, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt/Main)

Lebenswissenschaften

In der Biologie ist man lange davon ausgegangen, dass die Regulation zellulärer Funktionen im Wesentlichen von Proteinen übernommen wird. Dass auch RNA-Moleküle an der Kontrolle wichtiger Zellvorgänge beteiligt sind, ist erst seit kurzem bekannt. Das Schwerpunktprogramm „Sensorische und regulatorische RNAs in Prokaryoten“ will die strukturellen und funktionellen Merkmale dieser Moleküle untersuchen. (Koordinator: Prof. Dr. Franz Narberhaus, Universität Bochum)

Das Schwerpunktprogramm „Microbial reprogramming of plant cell development“ beschäftigt sich mit der Wechselwirkung zwischen Pflanzen und Mikroorganismen. Auf molekularer Ebene sollen die Entwicklungsprogramme der Pflanzenzelle untersucht werden, die bei symbiotischen Beziehungen mit phosphatliefernden Pilzen und stickstoffoxidierenden Bakterien oder bei Pflanzenkrankheiten aktiviert oder umgesteuert werden. Diese Forschungen sind unter anderem für eine Verringerung des Dünger- und Pestizidbedarfs der Landwirtschaft von hoher Bedeutung.

Sphingolipide sind Fette, die lange als Bausteine von Zellen galten. Dass sie aktive Komponenten in Zellen sind, die Funktionen wie die Differenzierung von Zellen oder das Wachstum von Blutgefäßen regulieren, ist erst seit einigen Jahren bekannt. Das Schwerpunktprogramm „Sphingolipide – Signale und Krankheit“ will nun Grundlagenforscher und Kliniker zusammenbringen, um die Bedeutung von Sphingolipiden für ein breites Spektrum von Krankheiten zu untersuchen. (Koordinator: Prof. Dr. Erich Gulbins, Universität Duisburg-Essen)

Naturwissenschaften

Die Spintronik ist ein neues Forschungsgebiet, das sich mit der Weiterentwicklung der klassischen Elektronik beschäftigt und ein Konzept zur Verarbeitung von Daten darstellt, bei dem nicht nur die elektrische Ladung, sondern auch die Eigenrotation (Spin) von Elektronen genutzt wird. Das Schwerpunktprogramm „Halbleiter Spintronik“ befasst sich mit grundsätzlichen Fragen zur Nutzung des Elektronenspins für Halbleiterbauelemente, darunter auch der Verwendung optischer oder elektrischer Methoden zum Schreiben und Lesen einzelner Spins. (Koordinator: Prof. Dr. Michael Oestreich, Universität Hannover)

Das Erdreich stellt eine reaktive Oberfläche dar, über die die Aufnahme, Lagerung und Weitergabe von Hitze, Wasser, Gasen und chemischen Elementen geschieht. Biogeochemische Vorgänge in dieser Oberfläche spielen eine Schlüsselrolle in vielen Ökosystemen. Bodenkundler, Chemiker, Physiker und Biologen werden im Schwerpunktprogramm „Biogeochemical Interfaces in Soil“ zusammenarbeiten, um die komplexen physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse und Wechselwirkungen in Böden zu untersuchen. (Koordinator: Prof. Dr. Kai Uwe Totsche, Universität Jena)

Nanopartikel stehen im Verdacht, Körperzellen irreversibel zu schädigen. Das Schwerpunktprogramm „Bio-Nano-Responses“ hat sich zum Ziel gesetzt, die elementaren Prozesse der Aufnahme von Nanopartikeln in Zellen, ihren Transport und ihre biologische Wirkung besser zu verstehen. Dazu sollen gezielt verschiedenste Nanopartikel hergestellt, ihr Verhalten in biologischen Systemen beobachtet sowie ihre Wirkung im Zellstoffwechsel analysiert werden. (Koordinator: Prof. Dr. Reinhard Zellner, Universität Duisburg-Essen)

Das Schwerpunktprogramm „Integrierte Analyse zwischeneiszeitlicher Klimadynamik“ setzt sich zum Ziel, durch quantitative Untersuchungen des Paläoklimas, also der klimatischen Verhältnisse der Vergangenheit, zu einem besseren Verständnis des Klimasystems und genaueren Abschätzungen zukünftiger Klimaveränderungen zu gelangen. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass unser derzeitiges Klima dem einer Warmzeit entspricht und daher mit vergangenen Warmzeiten vergleichbar ist. In einem integrativen Ansatz sollen bei den Untersuchungen erstmals alle verfügbaren Klimaarchive zusammengeführt werden. (Koordinator: Prof. Dr. Michael Schulz, Universität Bremen)

Ingenieurwissenschaften

Der Versuch, lokale Wetterextreme wie Wirbelstürme in hoher Detailtreue abzubilden, stellt die meteorologische Modellbildung vor große Herausforderungen. Das Kernproblem ist die Tatsache, dass physikalische Phänomene, die auf sehr unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen ablaufen, bisher nicht geschlossen dargestellt werden können. Hier setzt das Schwerpunktprogramm „Skalenübergreifende Modellierung in der Strömungsmechanik und Meteorologie“ an. Meteorologen, Strömungsmechaniker und Mathematiker werden gemeinsam für die Lösung dieser Aufgabe neue Modellierungsmethoden entwickeln. (Koordinator: Prof. Dr. Rupert Klein, Freie Universität Berlin)

Das Schwerpunktprogramm „Kolloidverfahrenstechnik“ widmet sich der Erarbeitung von Grundlagen der Erzeugung und Prozessierung neuartiger, maßgeschneiderter Kolloide. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten stehen vor allem Fragen, die sich mit der Modellierung, Herstellung und Beeinflussung von Partikeln in flüssigen Medien beschäftigen. In die Forschungsarbeiten sind sowohl die Chemie als auch die Verfahrenstechnik und die Physik eingebunden. (Koordinator: Prof. Dr.-Ing. Matthias Kind, Universität Karlsruhe)

Ein Kernthema der Informatik ist die Entwicklung von Algorithmen und Datenstrukturen. Ihre Effizienz ist die Grundvoraussetzung für anspruchsvolle Computeranwendungen, die mit steigenden Datenmengen auf immer komplexerer Hardware umgehen müssen. Bisher wurden in der Algorithmik oft stark vereinfachte Modelle entwickelt. Ziel des Schwerpunktprogramms „Algorithm Engineering“ ist es, die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden. Der Schlüssel dazu ist eine breitere Methodik, die den traditionellen Dreiklang der Algorithmentheorie von Entwurf, Analyse und beweisbaren Leistungsgarantien deutlich erweitert und damit neue Perspektiven für zahlreiche Anwendungsfelder schafft (Koordinator: Prof. Dr. Peter Sanders, Universität Karlsruhe)

Computergestütztes Materialdesign wird eine zentrale Stellung in der Materialforschung einnehmen. Eine der aktuellen Fragestellungen betrifft die Beschreibung der Entstehungsgeschichte eines Festkörpers aus dem schmelzflüssigen Zustand. Im Schwerpunktprogramm „Keimbildung und Wachstumskinetik in Kolloiden und Metalllegierungen“ verknüpfen Mathematiker, Physiker, Werkstoffwissenschaftler und Ingenieure erstmals systematisch die Forschung zu Keim- und Mikrostrukturbildungsprozessen in Metallen mit der Forschung an Kolloiden. Ziel ist ein umfassendes Verständnis und die skalenübergreifende Simulation dieser Vorgänge.
(Koordinatorin: Prof. Dr. Heike Emmerich, RWTH Aachen)

Die Arbeit des Schwerpunktprogramms „Adaptive Oberflächen für Hochtemperaturanwendungen“ soll die Entwicklung neuer Schutzschichten für Hochtemperaturbauteile, die etwa in Kraftwerken oder Hochdruckanlagen zu finden sind, voranbringen. Ziel ist es, die Grundlagen für Schichtsysteme zu entwickeln, die wie lebende Hautsysteme auf ihre Umwelt mit sensorischen Eigenschaften, Schutzwirkung oder Durchlässigkeit reagieren und somit einem technischen Bauteil zu besonderen Funktionalitäten verhelfen. In diesem Projekt sollen Werkstoffwissenschaftler mit Physikern, Chemikern und Korrosionsforschern zusammenarbeiten. (Koordinator: Prof. Dr.-Ing. Christoph Leyens, BTU Cottbus)

In digital vernetzten dynamischen Systemen werden unterschiedliche Teilkomponenten mit den Reglern durch ein gemeinsames, teilweise drahtloses Kommunikationsnetz verbunden. Ziel des Schwerpunktprogramms „Regelungstheorie digital vernetzter dynamischer Systeme“ ist es, ausgehend von theoretischen Ansätzen der Regelungstheorie und der mathematischen Kontrolltheorie, eine Regelungstheorie zu entwickeln, mit der solche Systeme modelliert, analysiert und entworfen werden können. In diesem Forschungsvorhaben werden deshalb theoretische Regelungstechniker und mathematische Systemtheoretiker zusammenarbeiten. (Koordinator: Prof. Dr.-Ing. Jan Lunze, Universität Bochum)

Zusätzlich zu diesen Schwerpunktprogrammen hat der Senat der DFG zur Unterstützung der universitären Kooperation in der Atmosphärenforschung das Programm „Atmospheric and Earth System Research with the ’High Altitude and Long Range Research Aircraft (HALO)’“ eingerichtet. In der Atmosphärenforschung sind viele Prozesse, darunter die Wolkenbildung oder photochemische Vorgänge, nicht verstanden. Dies liegt vor allem daran, dass die relevanten Mechanismen sich auf räumlichen und zeitlichen Skalen abspielen, die nicht gleichzeitig erfasst werden können. Durch die Kombination von großer Reichweite (8000 km) und großer Höhe (15,5 km) ermöglicht das Forschungsflugzeug HALO erstmals, Prozesse wie die Verteilung von Aerosolen über lange Zeiträume und Distanzen zu studieren. Der Einsatz von HALO soll die deutsche Atmosphärenforschung international in die Spitzengruppe bringen.

(Koordinator: Prof. Dr. Jost Heintzenberg, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, Leipzig)

Media Contact

Dr. Jutta Rateike idw

Weitere Informationen:

http://www.dfg.de

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