Wenn der Koch vom College kommt … – Bildungsexperten aus zehn Ländern am Institut Arbeit und Technik

Konferenz zur Berufsbildung im internationalen Vergleich

Der forcierte Ausbau der Universitätsausbildung in Deutschland gefährdet das duale System der Berufsbildung. Die Konkurrenz zwischen Aufsteigern aus dem dualen System und Hochschulabsolventen mit Bachelor-Abschluss um die Fachtätigkeiten mit Führungsaufgaben wächst, traditionelle Karrieren vom Facharbeiter ins mittlere Management werden blockiert. „Es besteht die Gefahr, dass das duale System die besten Jugendlichen verliert“ warnte Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT) heute auf einer Konferenz in Gelsenkirchen. Bildungsexperten aus zehn Ländern diskutierten hier über Perspektiven der beruflichen Bildung im internationalen Vergleich.

Die Konferenz ist Teil eines von der Humboldt-Stiftung, dem Institut Arbeit und Technik, der Kanadischen Regierung und dem kanadischen Forschungsnetzwerk CRIMT (Centre de Recherche Interuniversitaire sur la Mondialisation et le Travail) geförderten Projektes, in dessen Rahmen die Berufsbildungssysteme in 10 Ländern (Australien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Korea, Marokko, Mexiko, USA) untersucht werden. Projektleiter sind Prof. Bosch und Prof. Jean Charest (University of Montreal).

In den meisten Ländern hat die klassische berufliche Bildung seit 1990 erheblich an Bedeutung verloren und wurde zum Teil an Schulen, Colleges und Universitäten verlagert. So liegt der Anteil der Universitätsabsolventen in einer Jahrgangsgruppe in Australien z.B. bei 42 Prozent, in England bei 37 Prozent. Deutschland rangiert mit 19 Prozent weit unter dem OECD-Durchschnit von 30 Prozent. „Daraus darf aber nicht gefolgert werden, dass die Akademikerquote in Deutschland pauschal gesteigert werden müsste, vor allem bei der Akademisierung bislang nicht akademischer Tätigkeiten und Berufe ist Vorsicht angebracht“, so Prof. Bosch.

Der internationale Vergleich birgt Fallen: Vor allem in den angelsächsischen und romanischen Ländern gibt es kaum Alternativen zur Hochschulausbildung. Mangels anderer Möglichkeiten sind dort die Akademikerquoten künstlich aufgebläht. Jugendliche und Eltern sehen den Zugang zu gut bezahlten und interessanten Tätigkeiten nur über die Hochschulen. Dagegen ist in Deutschland der Aufstieg aus dem dualen System durch Zusatzqualifikationen möglich – rund zwölf Prozent der Absolventen eines Jahrgangs schlagen diesen Weg ein.

Rund 60 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren vollendeten 2003 ein Berufsbildungsprogramm, drei Viertel von ihnen eine Lehre im Dualen System. Das ist auch der Grund für die vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland, da gerade in Zeiten allgemein hoher Arbeitslosigkeit Jugendliche besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ohne ein solches System bleiben gerade diejenigen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, außen vor.

Trotz aller Vorteile des dualen Systems besteht nicht zuletzt aufgrund des strukturellen Wandels Reformbedarf. Seit 1996 wurden 64 neue Berufsbilder geschaffen, 190 Lehrberufe modernisiert. Aufgrund der Konkurrenz zum Hochschulsystem wird es notwendig, die Qualität der dualen Ausbildung zu verbessern, Aufstiegswege und Übergänge zwischen den Systemen aufzuzeigen und mehr Durchlässigkeit zum Hochschulsystem zu ermöglichen. „Es macht aber wenig Sinn, sich nur einzelne Teile des Bildungssystems vorzunehmen“, so Bosch. Zielgrößen für das gesamte Bildungssystem bis 2010 könnten sein: die Halbierung des Anteils von Jugendlichen ohne Berufsausbildung auf 8 Prozent, 25 Prozent Hochschulabsolventen, 5 bis 8 Prozent „Aufsteiger“ aus dem dualen System und 60+ Prozent in der dualen und schulischen Berufsausbildung.

Für weitere Fragen stehen
Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Gerhard Bosch
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Pressereferentin
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
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