Perspektiven für Zukunftsmärkte – Mit Fraunhofer heute für morgen forschen

Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt in einem umfangreichen Strategieprozess ihr Technologie-Portfolio weiter.


Anfang 2004 stellte Fraunhofer 12 Leit-Innovationen vor, die Chancen für Deutschland aufzeigen sollten. Diese Vorschläge wurden intensiv mit den Fraunhofer-Experten diskutiert, ergänzt, modifiziert und an das Kompetenzprofil der Fraunhofer-Institute angepasst. Nun liegt die neue Auswahl aktueller Fraunhofer-Innovationsthemen vor: 12 Perspektiven für Zukunftsmärkte. Die Themen zeichnen sich durch ein herausragendes Innovationspotenzial, hohen Forschungsbedarf, Marktnähe und Fokussierung auf Fraunhofer-Kompetenzen aus. Sie werden nun mit Nachdruck und vereinten Kräften vorangetrieben.

Internet der Dinge
Selbst ist das Paket!

Die „Dinge“ der Logistik – einzelne Artikel, Paletten, Behälter – sprechen miteinander, koordinieren sich und fordern die nötigen Ressourcen selbständig an. Diese Vision ist mit interdisziplinärer Forschung schon bald realisierbar. Voraussetzung dafür sind autonome Objekte – Produkte, Verpackungen, Ladungsträger – und sich selbst organisierende Logistiknetze: Die „Dinge“ erhalten eine elektronische Identität und werden drahtlos mit ihrer Umwelt vernetzt – auf Basis der RFID-Technologie. So können Waren auf ihrem Lebensweg lückenlos verfolgt, ihr Zustand und Aufenthalt jederzeit erfasst werden. Die inner- und außerbetrieblichen Materialfluss- und Logistiksysteme verfügen damit über alle erforderlichen Informationen der Warenströme. Sie können selbständig reagieren und sich flexibel an wechselnde Anforderungen anpassen. Das ermöglicht autonome, logistische Netzwerke – analog zum Internet. Die Logistiknetze können sich sogar selbst organisieren und ihre Distribution selbst steuern. Dieser Paradigmenwechsel in der Logistik bietet signifikante Vorteile, wenn viele Einzel-bestellungen bearbeitet und Waren schnell beim Kunden sein müssen. Im „Internet der Dinge“ finden Produkte allein ihren Weg von der Produktion bis zum Kunden – und wieder zurück zum Recycling.

Intelligente Produkte und Umgebungen
Allzeit bereite, unsichtbare Helfer

Miniaturisierung der Elektronik und drahtlose Kommunikationstechnik ermöglichen den Durchbruch zur „intelligenten Umgebung“: Kleinste Elektronikbauteile enthalten Mikrochips, Sensoren und Funkmodule. Sie verwandeln alle Gegenstände und Infrastrukturen, die den Menschen umgeben, von passiven Objekten in aktive Subjekte. Die eingebettete Elektronik bindet nicht nur Elektrogeräte, sondern die ganze Umgebung des Menschen – Kleidung, Bücher, Tische, Tapeten, Fenster, Rollos, Teppiche – in die Kommunikationsnetze ein und stattet sie mit zusätzlichen Funktionen aus. Mit Hilfe dieser Informationen kann die Technik selbständig Aktionen ausführen, sich an Veränderungen anpassen und Funktionen überwachen. Sie „denkt mit“. Solche vernetzten, integrierten Systeme – für Haus, Auto, Werkzeugmaschine, Kleidung – werden oft als „intelligent“ bezeichnet. Sie bilden um den Menschen herum eine allgegenwärtige elektronische Assistenz. Die versteckt agierenden elektronischen Helfer sind allzeit bereit. Da die lokalen Netzwerke in die globalen Informations- und Telekommunikationsnetze eingebunden sind, kann der Mensch jederzeit und an jedem Ort alle gewünschten multimedialen Informationen abrufen. Die Vision der „intelligenten Umgebung“ geht darüber hinaus – zu einer umfassenden Assistenz und aktiven Unterstützung, die dem Menschen Arbeit abnimmt und sich an die Wünsche und Bedürfnisse des Nutzers anpasst. Nicht der Mensch bedient die Technik, sondern die Technik bedient den Menschen.

Mikroenergietechnik
Power für unterwegs

Laptops, PDAs, Handys und digitale Kameras brauchen eine leistungsfähige und zuverlässige Energieversorgung. In Zukunft liefern nicht nur Akkus und Batterien Strom für mobile Geräte, sondern auch Brennstoff- und Solarzellen, piezoelektrische Wandler, Mikroturbinen und -motoren sowie thermoelektrische Wandler. Diese Technologien bilden einen Baukasten für die Mikroenergietechnik. Die einzelnen Komponenten können nach Bedarf zu hybriden Systemen kombiniert werden. So lassen sich auch mikroelektronische Geräte mit hohen Leistungsanforderungen betreiben wie Sensorsysteme. Die Brennstoff-zelle liefert die notwendige Energie und lädt den Akku auf. Dank der hohen Leistung der Brennstoffzelle ist das hybride Energieversorgungssystem deutlich kleiner und leichter als herkömmliche Akkus.

Adaptronik
Materialien werden aktiv

Nach dem Vorbild der Natur entwickeln Forscher Bauteile, die sich mithilfe integrierter Sensoren, Aktuatoren und Regelungstechnik selbstständig an veränderte Bedingungen anpassen. Voraussetzung ist, aktive und passive Funktionen in einer Struktur zu verschmelzen, also Sensoren und Aktoren in das Material zu integrieren. So lässt sich das Verhalten mechanischer Strukturen gezielt beeinflussen: Man kann etwa Schwingungen dämpfen und Lärm reduzieren, aber auch die Steifigkeit erhöhen oder die Form aktiv kontrollieren. Schlüsselkomponenten sind Piezokeramiken, Gedächtnislegierungen, elektroviskose Flüssigkeiten, Polymergele und andere „smart materials“. Die aktive Kontrolle störender Schwingungen hilft nicht nur Lärm und Verschleiß zu reduzieren, sondern ermöglicht auch neuartige Leichtbaukonstruktionen und präzisere Werkzeugmaschinen. Besonders wichtig ist dabei die Entkopplung von Systemen durch eine adaptive Schnittstelle, damit beispielsweise Schwingungen vom Fahrwerk nicht auf die Karosserie übertragen werden. Die Adaptronik eröffnet den deutschen Leitbranchen Fahrzeug- und Maschinenbau neue Perspektiven. Mit innovativen Entwicklungen können sie zur Standortsicherung beitragen. Der Nutzer wird die Vorteile direkt hören und fühlen können: weniger Lärm, mehr Komfort und Sicherheit.

Simulierte Realität für Produkte und Prozesse
Die Zukunft im Rechner

Leistungsfähige Rechner und Software-Werkzeuge ermöglichen heute auch die Simulation komplexer Prozesse. Durch Planen, Konstruieren und Testen im Rechner kann die Zukunft vorweggenommen und künftige Realität simuliert werden: Ohne dass auch nur ein Blech gebogen wurde, steht das Auto zur Probefahrt in der Virtuellen Realität bereit. Das spart Zeit und Kosten. Die Automobilindustrie ist sowohl Vorreiter als auch größter Markttreiber. Sie nutzt die rechnergestützten Techniken intensiv, um Entwicklungszyklen zu verkürzen die Simulationsberechnungen stärker zu integrieren und die Komponenten zu spezialisierten Zulieferern auszulagern. Dies zeigt exemplarisch, wie sich die gesamte technische Branche in Deutschland wandeln muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Noch können nur wenige Bereiche die Simulationstechnik effektiv nutzen: Dabei ist sie ideal für die Entwicklung maßgeschneiderter Werkstoffe. Sie kann aufwändige und teuere Versuche an realen Testmustern deutlich reduzieren.

Mensch-Maschine-Interaktion
Nie mehr Knöpfe drücken

Handys, Computer, DVD-Player, Telefonanlagen, Navigationssysteme im Auto sind leistungsfähig wie nie zuvor. Doch der Einzelne nutzt die komplizierte Technik kaum aus. Er kapituliert vor komplexen Bedienmenüs und Gebrauchsanleitungen. Neue Mensch-Maschine-Schnittstellen sollen den Umgang mit Technik erleichtern. In Zukunft lassen sich die Geräte über Sprache, Gestik und Mimik steuern. Virtuelle und erweiterte Realität ermöglichen eine intuitive Bedienung. Eine neue Generation von User Interfaces versucht mithilfe zahlreicher, unterschiedlicher Sensoren erstmals die wirklichen Bedürfnisse der Nutzer zu erfassen und kann so situationsgerechte Lösungen anbieten, ohne den Nutzer zu bevormunden. So soll die elektronische Assistenz – über Messungen von Puls oder Hautwiderstand – sogar erfassen, in welcher Gemütsverfassung der Nutzer ist und ihn zuvorkommend behandeln. Letztlich geht es darum, die Mensch-Maschine-Interaktion so einfach und komfortabel zu gestalten, wie wir es in der Kommunikation zwischen Menschen gewöhnt sind.

Grid-Computing für Unternehmen
Rechnerleistung aus der Steckdose

Verbindet man viele Rechner zu einem Netz, englisch Grid, können sie sich bei der Lösung von Aufgaben gegenseitig helfen. Computer-Grids beschleunigen Auswertungen, verbessern die Auslastung der vorhandenen Hardware und erleichtern den Zugriff auf Datenbanken. Immer mehr Forschungsorganisationen und große Firmen bündeln vorhandene Rechnerkapazitäten und lagern rechenintensive Anwendungen aus – beispielsweise die Risikoberechnung von Finanzprodukten, die Simulation pharmazeutischer Wirkstoffe oder so komplexe Berechnungen wie Strömungsdynamik und Crashsimulation. Auch für kleine und mittlere Unternehmen eröffnet die Technologie neue Möglichkeiten. Grid Computing wird einen Innovationsschub auslösen.

Integrierte Leichtbausysteme
Schlankheitskur für Auto und Co

Leicht aber dennoch sicher, stabil und zuverlässig – die Anforderungen an Leichtbausysteme sind hoch. Es werden Werkstoffe benötigt, die neue Funktionalitäten mit geringem Gewicht und gutem mechanischem Verhalten verknüpfen. Verschiedene, zum Teil neue Werkstoffe werden dazu in einem Multi-Material-Design verknüpft. Künftig werden Leichtbaulösungen vorab im „virtuellen Labor“ getestet und qualifiziert. Neben Design müssen auch werkstoffangepasste Fügetechnologien sowie eine entsprechende Prozesskette für die Herstellung entwickelt werden. Insbesondere für den Fahrzeugbau sind neue Leichtbaukonzepte gefragt. Nur so lässt sich das Gewicht der Fahr-zeuge reduzieren und damit auch der Energieverbrauch sowie der CO2-Ausstoß senken.

Industrielle weiße Biotechnologie
Die Natur als chemische Fabrik

Erdöl wird immer teuerer. Das bekommt auch die chemische Industrie zu spüren. Denn viele Produkte werden aus Mineralöl hergestellt. Biomasse ist eine alternative Kohlenstoffquelle, um daraus chemische Produkte wie Polymere, Schmierstoffe, Tenside und Lösungsmittel zu erzeugen. Schon jetzt werden erste Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und zum Beispiel in Catering-Geschirr oder Funktionskleidung eingesetzt. Die weiße Biotechnologie ist aber auch für die pharmazeutische und biotechnische Industrie so wie für die Lebensmittelproduktion von besonderer Bedeutung: Sie kann bei der Herstellung neuer und verbesserter industrieller Enzyme und Spezialchemikalien helfen.

Tailored Light
Licht als Werkzeug

Seit es Wissenschaftlern gelungen ist, das Licht zu zähmen, werden seine einzigartigen Eigenschaften immer besser nutzbar. Neue Lichtquellen ermöglichen es, Licht kontrolliert zu erzeugen, formen und führen, so dass es zielgerichtet eingesetzt werden kann. Dies eröffnet neuartige Anwendungen in der Materialbearbeitung, Mikroelektronik und der Informationsübertragung, -speicherung und -visualisierung. Beispiel Laser: Er hat sich wegen seiner unerreichten Genauigkeit und Leistungsfähigkeit als universelles Werkzeug in der Bearbeitung von Materialien etabliert – sanft zum Heilen in der Medizin und stark zum Schneiden dicker Stahlträger. Flexibel, genau und berührungslos arbeitet er von der Makro- und Mikrowelt bis in die atomaren Strukturen der Nanowelt. Neue Lichtquellen können weitere Wellenlängenbereiche erschließen: Terrahertz, eine bisher ungenutzte, unschädliche Strahlung eröffnet neue Möglichkeiten in der Analytik, Mess-, Prüf- und Überwachungstechnik. In den Nanometerbereich vorstoßen kann das Extreme Ultraviolett. Diese extrem kurzwellige Strahlung wird benötigt für die nächste Lithographiegeneration in der Chipherstellung, sie eignet sich auch für die Nanoskopie. Optische Technologien bieten das Potenzial, maßgeschneidertes Licht für die unterschiedlichsten Anwendungen zu erzeugen und als Werkzeug nutzbar zu machen.

Polytronik
Gedruckte Elektronik – leuchtende Tapeten

Als Wissenschaftler Kunststoffe entdeckten, die elektrisch leitfähig sind und leuchten können, entstand die Vision einer Elektronik auf der Basis von Polymeren, kurz Polytronik. Polymere haben den großen Vorteil, dass sie flüssig verarbeitet werden können. Das erlaubt die massenhafte und kostengünstige Herstellung mit Hilfe von etablierten Fertigungsverfahren. Mit einfachen Druckverfahren sollen beispielsweise elektronische Schaltungen hergestellt werden. Die Voraussetzung dafür sind leitfähige Kunststoffe. Der Vorteil der biegsamen Kunststoff-Chips: Sie können preisgünstig im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf Folie produziert oder direkt auf die Verpackung gedruckt werden und eröffnen damit die Chance zu einer Low-cost-Elektronik. Die flexiblen Chips lassen sich vielfältig einsetzen – etwa als „intelligente“ Etiketten, die Gegenstände des Alltags mit einer elektronischen Identität ausstatten und für alle Anwendungen, wo es um eine Gewichts- und Raumeinsparung geht. Auch eine neue Generation flexibler Displays wird möglich durch Leuchtdioden LEDs aus organischem Material, den OLEDs. Sie sind hauchdünn, biegsam und haben eine ausgezeichnete Bildqualität, weil sie selbst leuchten. Erste kleine Anzeigen sind bereits am Markt. Für anspruchvolle Anwendungen müssen noch einige technische Probleme gelöst werden. Insbesondere müssen Produktionsverfahren entwickelt werden, um die organischen Displays kostengünstig fertigen zu können.

Sicherheitstechnologien zur Gefahrenabwehr
Mit Sicherheit Leben retten

Terror, Naturkatastrophen, schwere Unfälle und organisierte Kriminalität bedrohen unsere Sicherheit. Vor allem die hohe Technisierung unserer Informationsgesellschaft bietet vielfältige Angriffsmöglichkeiten. Besonderen Schutz erfordern kritische Infrastrukturen wie Energieversorgung, Verkehrswesen, Wasserversorgung, Information und Kommunikation, Verwaltungen und Industrieanlagen. Gefragt ist Schutz vor physischer Gewalt, aber auch vor Angriffen auf die Informations- und Kommunikationswege. Es werden zuverlässige Methoden zur Detektion von Sprengstoffen, chemischen, biologischen und nuklearen Substanzen benötigt. IT-Sicherheit soll Vertraulichkeit, Verfügbarkeit sowie Schutz vor Missbrauch und Angriffen von außen gewährleisten. Sensoren helfen, frühzeitig Gefahren zu erkennen oder gefährdete Gebiete zu überwachen. Neue Materialien und Technologien tragen dazu bei, die Folgen von Schusswaffen, Brandsätzen und Explosionen zu minimieren. Gefragt ist auch ein effizientes Katastrophen- und Krisenmanagement.

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Marion Horn idw

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