Göttingen wird Standort für neues neurowissenschaftliches Forschungszentrum

Der Wissenschaftsstandort Göttingen erhält eines von vier Forschungszentren in einem interdisziplinären Netzwerk Hirnforschung, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt 34 Millionen Euro fördern wird.

Um die Einrichtung eines solchen Zentrums hat sich die Georg-August-Universität zusammen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Göttingen sowie einem Unternehmen für Rehabilitationshilfen beworben. Die Koordination liegt bei Prof. Dr. Theo Geisel, der am Institut für Nichtlineare Dynamik der Georgia Augusta und dem Max-Planck-Institut für Strömungsforschung lehrt und forscht.

Neben Göttingen werden Forschungsverbünde in Berlin, Freiburg und München dem Netzwerk angehören. Ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Computational Neuroscience sollen zu einem besseren Verständnis der Gehirnfunktionen führen und damit unter anderem einen Beitrag zur Entschlüsselung von Erkrankungen des Nervensystems leisten. Nach Angaben des Ministeriums werden die neuen Einrichtungen nach dem deutschen Physiologen Julius Bernstein (1839 bis 1917) „Bernstein-Zentren für Computational Neuroscience“ heißen und in einer internationalen Konferenz vom 14. bis 16. Oktober 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt.

An dem Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience in Göttingen, das sich mit der Adaptivität in neuronalen Systemen beschäftigten wird, sind Wissenschaftler der Fakultäten Physik, Biologie und Medizin an der Universität sowie Forscher von zwei Max-Planck-Instituten – neben dem MPI für Strömungsforschung auch das MPI für biophysikalische Chemie – beteiligt. Vom Deutschen Primatenzentrum wird die Abteilung Kognitive Neurowissenschaften vertreten sein. Partner aus der Wirtschaft ist Otto Bock HealthCare (Duderstadt). Mit dem neuen Zentrum kann die Georg-August-Universität ihren Exzellenzschwerpunkt in den Neurowissenschaften ausbauen. Es wird eng mit dem DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB), dem European Neuroscience Institute (ENI) und dem Zentrum für Neurobiologie des Verhaltens (ZNV) am Standort Göttingen zusammenarbeiten. Während CMPB, ZNV und das ENI die experimentelle Erforschung der molekularen, zellulären und systemischen Grundlagen von Hirnfunktionen sowie die bio-medizinische Untersuchung ihrer Störungen koordinieren, wird sich das Göttinger Bernstein-Zentrum insbesondere mit theoretischen Fragestellungen befassen.

Neuronale Systeme haben die Fähigkeit, sich an Änderungen in der Umgebung anzupassen und damit „lernfähig“ zu sein. Die Aufklärung der komplexen dynamischen Mechanismen, auf denen diese neuronale Adaptivität beruht, stellt eine zentrale Forschungsfrage der Neurowissenschaften dar. Prof. Geisel: „In vielen Fällen lassen sich substantielle Fortschritte auf diesem Gebiet nur durch eine Kombination von experimentellen Ansätzen mit theoretischen Arbeiten, das heißt quantitativen Modellen und mathematischen Methoden aus der Computational Neuroscience erzielen.“ Wie der Koordinator des neuen Zentrums betont, werden in Göttingen bereits verschiedene Schlüsselaspekte neuronaler Adaptivität erforscht, so zum Beispiel schnelle Veränderungen synaptischer Kopplungen zwischen einzelnen Nervenzellen. Auf dem Gebiet der Computational Neuroscience wurden dazu unter anderem mikroskopische Modelle für die synaptische Transmission sowie für die neuronale Informationsverarbeitung im Millisekundenbereich entwickelt. Neue computergestützte Methoden erlauben es, die Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen im lebenden Gehirn mit hoher zeitlicher Auflösung zu erschließen und zu quantifizieren.

Zu dem Göttinger Bernstein-Zentrum wird auch eine neu einzurichtende Professur für Computational Neuroscience gehören. Ergänzt werden soll es außerdem durch eine experimentell arbeitende Nachwuchsgruppe für systemische Neurowissenschaften. Die Forschungsarbeiten werden sich auf vier Bereiche – Synaptische Dynamik und Informationsverarbeitung, Adaptation in neuronalen Netzen, Kognitive Adaptation sowie Motorische Adaptation und Neuroprothetik – konzentrieren. Hochschulabsolventen werden in einer Graduate School einen Doktortitel auf dem Gebiet der Computational Neuroscience erwerben können.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Theo Geisel
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik
Institut für Nichtlineare Dynamik
Bunsenstraße 10, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 5176-400, Fax (0551) 5176-402
e-mail: geisel@chaos.gwdg.de

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Marietta Fuhrmann-Koch idw

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