Viele Rekruten, aber nur wenige Talente

Nachwuchs in den Bereichen Elektro- und Informationstechnik

Bringt die Schaffung so genannter Elite-Universitäten Deutschland an die Weltspitze? Welchen Beitrag können Unternehmen und Hochschulen zur gezielten Eliteförderung leisten? Der VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. ist brennenden Fragen wie diesen in eigenen Untersuchungen und Expertenmeetings auf den Grund gegangen.

Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Struktur der Hochschullandschaft so verändert werden, dass sich Spitzenhochschulen und Forschungszentren etablieren, die auch weltweit in der ersten Liga mitspielen und mit internationalen Spitzenhochschulen wie Harvard und Stanford konkurrieren können. Experten wie der VDE-Präsident Dr. Klaus Wucherer oder Prof. Dr. Josef A. Nossek von der TU München begrüßen die Initiative grundsätzlich positiv, warnen aber zugleich davor, Spitzenuniversitäten per Dekret bestimmen zu wollen. “Elite-Einrichtungen können sich nur im Wettbewerb der existierenden Universitäten herausbilden, und der Staat muß hierfür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen”, argumentierte der VDE-Präsident und verwies zugleich auf den immer härteren globalen Wettbewerb um die besten Studenten und Wissenschaftler.

Nicht selten werden Bachelor- und Masterstudiengänge nach amerikanischen Vorbild, bei dem Studenten schneller einen Abschluss erreichen, als “Königsweg” gehandelt. Zugleich verspricht man sich einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zu einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen – dies insbesondere auch vor den Hintergrund des Bologna-Prozesses, in dem bis 2010 ein einheitlicher europäischer Hochschulraum verwirklicht werden soll. Zur Zeit machen die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge 15 Prozent des Studienangebots in Deutschland aus.

Experten wie Prof. Nossek haben indessen das gestufte Bildungssystem längst als Mythos entlarvt. “Tatsache ist, dass die Studienangebote amerikanischer Universitäten keine klare zweistufige Struktur aufweisen”, versichert er. Es sei auch zu beobachten, dass das einstufige deutsche Modell in den USA Nachahmer finde. Ein Beispiel für diesen Trend liefert Prof. Dr. James M. Tien, Vizepräsident des “Institute of Electrical and Electronics Engineers, Inc.”, gemeinhin unter dem Kürzel IEEE bekannt. Erst im Juni vergangen Jahres schlug Tien eine Restrukturierung des amerikanischen Studiensystems nach dem Modell des deutschen Diplomingenieurstudiums vor.

Vor diesem Hintergrund plädiert Nossek mit Nachdruck für das parallele Angebot beider Strukturen, wie es als so genanntes Münchener Modell seit 1999 praktiziert werde. “Dieses Modell der TU München könnte das Referenzmodell für “Bologna-Europa” sein”, blickt der Experte in die Zukunft. Eine einseitige Festlegung die Zweistufigkeit sei dagegen nicht mehr zeitgemäss.

Unternehmen wie Infineon haben indessen bereits eigene Strategien entwickelt, um geeignete Talente innerhalb eines “Long Term Talent Pool” zu erkennen und in Abhängigkeit von ihrer Eignung optimal einzusetzen. So etabliert der Halbleiterhersteller innerhalb des Corporate Centers zur Zeit unter der Leitung von Annika Farin, die zuvor als Unternehmensberaterin bei McKinsey tätig war, den neuen Geschäftsbereich People & Organization. Frau Farins Aufgabe liegt insbesondere in der Umsetzung der strategischen Personal- und Organisationsentwicklung, einschließlich der Förderung, Entwicklung und Begleitung von Führungskräften sowie dem Aufbau einer gemeinsamen Führungskultur. “Es gibt sehr viele Rekruten auf dem Markt, aber zuwenig Talente”, lautet ihr Credo.

Indessen sieht der VDE Wachstum und Innovation in der Elektro- und IT-Branche durch den anhaltenden Expertenmangel weiterhin gefährdet. Einer Analyse des Verbandes zufolge stagnieren die Erstsemester 2003/2004 in der Elektro- und Informationstechnik bei 17.800 Studierenden. Die rund 6.400 Absolventen des Jahres 2004 sollen nicht in der Lage sein, den Bedarf in Wirtschaft und Forschung zu decken. Ziehe die Konjunktur an, werde sich der Expertenmangel weiter verschärfen, heißt es in der Analyse.

Nach der Einschätzung des Verbandes werde die Attraktivität des Ingenieurberufs weiter steigen. Zum einen sei mit einer anhaltenden hohen Nachfrage der Industrie zu rechnen, zum anderen eröffneten sich neue Einsatzgebiete. Dies beziehe sich beispielsweise auf die Bio- und Nanotechnologie sowie das Ubiquitäre Computing.

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Rolf Froböse

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