Forschung als Motor der deutschen Wirtschaft: Geld ist nicht alles

«Wohlstand und Beschäftigung sind nur durch Innovationen zu erhalten» – dieses Credo von Wirtschaft und Forschung hat sich auch die rot-grüne Bundesregierung zu eigen gemacht. Wichtige Messlatte ist der seit 1998 gestiegene Forschungsetat – er soll Symbolcharakter für den Standort Deutschland haben. Denn gibt der Staat Geld für Innovationen aus, folgt ihm die Wirtschaft, sagen Ökonomen. Doch angesichts der lahmenden Konjunktur halten sich Unternehmen in Deutschland derzeit zurück, Wettbewerber wie Japan und die USA investieren mehr, an den Hochschulen wird gespart und im Reformgetöse verhallen die Rufe nach Innovationen.

2002 gab Deutschland 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung aus, knapp 0,2 Prozentpunkte mehr als 1998. Rund zwei Drittel trug die Wirtschaft, knapp ein Drittel der Staat. Ein kleiner Anteil kam auch aus dem Ausland. «Die nüchternen Zahlen sprechen für die rot-grüne Koalition: Sie hat die Forschungsausgaben gesteigert. Wie gut das Geld wirklich investiert wurde, ist fraglich,» sagt der Präsident der Fraunhofer- Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger. Und: «Mit den Forschungsausgaben stehen wir weit hinter Japan und den USA». EU-Vorreiter Schweden zum Beispiel habe seine Forschungsausgaben von 2000 bis 2002 um 30 Prozent erhöht, Deutschland nur um 6 Prozent.

Schwächen am Standort Deutschland sieht Bullinger beispielsweise in der kommerziellen Umsetzung von Forschungsergebnissen aus den Labors. «Wir machen nach wie vor zu wenig aus dem, was uns zur Verfügung steht.» Bullinger fordert neuartige Produkte, um neue Märkte zu eröffnen. Investitionen lohnten etwa bei neuen Materialien, Produkten zur Geschäftsprozessoptimierung wie MP3-Player, regenerativen Energien sowie Biotechnologie und Nanotechnik.

Die EU will bis 2010 im gesamten EU-Raum drei Prozent des BIPs in die Forschung investieren. «Um das Ziel zu erreichen, müssten wir in jedem Jahr im öffentlichen Bereich und in der Wirtschaft eine Steigerung der Forschungsausgaben um 6 bis 9 Prozent haben», sagt Bullinger.

Christoph Grenzmann vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in Essen sagt dazu: Bei der gegenwärtigen Konjunkturlage plane die Wirtschaft aber deutlich weniger. Und beim strikten Sparkurs der Regierung dürfte es schwer für Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) werden, ihren Etat deutlich zu steigern.

«Geld» ist die erste Antwort auf die Frage, was die deutsche Forschung nach vorne bringen könnte. «Mit Geld allein aber können Sie wenig bewirken», warnt der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker. «Sie müssen auch die richtigen Strukturen schaffen, um Firmengründer zu motivieren, um wissenschaftliche Exzellenz zu erzeugen.»

Behindert wird Spitzenforschung in Deutschland nach Ansicht von Wissenschaftlern auch durch das Gießkannenprinzip bei der Förderung. «Jede Idee soll die gleiche Chance haben. Aber flächendeckende Maßnahmen werden uns nicht an die Spitze katapultieren», sagt Horst Domdey, Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Biotechnologie in Martinsried.

Nach dem Biotech-Boom kommt nun weltweit die Nanotechnologie ins Rollen. Hier gehört Deutschland neben Japan und den USA zu den führenden Forschungsnationen. Nanotechnologie ist Arbeit an Werkstoffen und Messverfahren in kleinsten Maßstäben, ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. Auch Ministerin Bulmahn setzt darauf und will Deutschland zu einem Exporteur für Hochtechnologie machen. Die klassischen Renner im Außenhandel wie Autos oder Maschinen sollen zwar stark bleiben, Bulmahn betont aber: «Dort, wo wir im 20. Jahrhundert Vorteile hatten, werden mehr und mehr andere Weltregionen nachrücken.»

Ob das ehrgeizige Brüsseler Ziel eines Anteils von drei Prozent am EU-BIP für Forschung erreicht werden kann, ist fraglich. «Eigentlich bräuchte es dazu einen Masterplan», sagt Michael Maurer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF/Köln). Über die Steigerungsraten der Ausgaben für Forschung und Entwicklung könne man streiten. Wichtig sei aber eine Verlässlichkeit. «Wir dürfen nicht jährlich ein neues Gerangel austragen.»

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