Europäische Universitäten ein weltweites Vorbild

Die Kommission hat heute in Brüssel als Teil einer Initiative des für Forschung zuständigen Kommissionsmitglieds Philippe Busquin und des für Bildung und Kultur zuständigen Kommissionsmitglieds Viviane Reding eine Mitteilung über die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens veröffentlicht.

Die europäischen Universitäten stehen vor enormen Herausforderungen: Entwicklung der wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft, notwendige Anhebung des Bildungs- und Hochschul-bildungsniveaus in allen Mitgliedstaaten und Bemühungen zur Verwirklichung des europäischen Forschungsraums. Die Universitäten sind Zentren für fortgeschrittene Ausbildung, Forschung und lokale Entwicklung, und die EU braucht ein gesundes Universitätssystem. Dies wurde auch vom Europäischen Rat in Barcelona im März 2002 anerkannt, der festlegte, dass die europäischen Bildungssysteme bis 2010 zu einer „weltweiten Qualitätsreferenz“ werden sollen. In der Mitteilung werden alle Betroffenen aufgefordert, sich an der Diskussion über Schlüsselthemen für die Hochschulbildung wie Finanzierung, Autonomie, fachliche Kompetenz, Erreichen und Bewahren von Exzellenz, Beitrag zur lokalen und regionalen Entwicklung und Verwirklichung des europäischen Hochschul- und Forschungsraumes zu beteiligen.

Das für Bildung und Kultur zuständige Kommissionsmitglied Viviane Reding erklärte: „Unsere Universitäten müssen weiterhin Spitzenleistungen erbringen und dürfen nicht in die zweite Liga absteigen. Wenn wir jetzt nicht darüber nachdenken, wie wir die Universitäten künftig fördern können, kann es morgen dafür zu spät sein“.

„Wenn Europa ein führender Akteur der globalen Wissensgesellschaft sein soll, müssen wir unsere Universitäten fördern“, so der europäische Forschungs-kommissar Philippe Busquin. „Die Universitäten sind Forschungs- und Bildungs-zentren und gleichzeitig Pole der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Investitionen in die Universitäten gehören zu den besten Zukunftsinvestitionen, die wir tätigen können.“

Diskussionsbedarf

Die Kommission möchte eine Diskussion über die Rolle der Universitäten (oder besser gesagt sämtlicher Arten von Hochschuleinrichtungen wie „Fachhoch-schulen“, „Polytechnics“ und „Grandes Ecoles“) in der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft in Europa anregen. Im Mittelpunkt der Diskussion soll die Frage stehen, wie die Universitäten in die Lage versetzt werden können, ihrer Schlüssel-rolle gerecht zu werden.

In der Europäischen Union gibt es etwa 3 300 Hochschuleinrichtungen. In ganz Europa, einschließlich der anderen westeuropäischen Länder und der Beitritts-länder, sind es etwa 4 000. Die Zahl der Studierenden an diesen Universitäten wächst: Im Jahr 2000 lag sie bei 12,5 Millionen, zehn Jahre zuvor noch bei weniger als 9 Millionen.

Weshalb Anstrengungen auf europäischer Ebene?

Die Zuständigkeit für die europäischen Universitäten liegt im Wesentlichen auf nationaler und regionaler Ebene. Das Hochschulwesen ist deshalb ausgesprochen heterogen, was sowohl für die Organisation und die Entscheidungsstrukturen als auch für die Arbeitsbedingungen gilt. Die europäischen Universitäten stehen jedoch alle vor den gleichen Schwierigkeiten und sind gezwungen, sich an ein im Wandel befindliches Umfeld anzupassen. Angesichts ihrer zentralen Rolle eröffnet die Schaffung eines wissensbasierten Europas den Universitäten große Chancen, stellt sie zugleich aber auch vor enorme Herausforderungen.

Die Universitäten operieren darüber hinaus in einem immer stärker von der Globalisierung geprägten Umfeld, das sich ständig weiterentwickelt und gekennzeichnet ist durch einen starken Wettbewerb um die größten Talente sowie durch die Entstehung neuer Anforderungen, auf die die Universitäten reagieren müssen. Die europäischen Universitäten sind jedoch im Allgemeinen weniger attraktiv und verfügen über weniger Finanzmittel als die Universitäten in anderen Ländern außerhalb der EU, insbesondere den USA (siehe Anhang).

In diesem Zusammenhang sind die strukturellen Reformen innerhalb des Bologna-Prozesses ein Versuch, diese Vielfalt in einem kohärenteren und kompatibleren europäischen Rahmen zu organisieren, der gleichzeitig eine Voraussetzung für die Zugänglichkeit und Konkurrenzfähigkeit der europäischen Universitäten, in Europa selbst sowie in aller Welt darstellt.

Die europäische Dimension

Die wissensbasierte Wirtschaft und Gesellschaft beruht auf vier miteinander zusammenhängenden Elementen:

  • auf der Schaffung neuen Wissens, hauptsächlich durch wissenschaftliche Forschung;
  • seiner Vermittlung durch die allgemeine und berufliche Bildung;
  • seiner Verbreitung mittels Informations- und Kommunikationstechnologien;
  • seiner Anwendung in Industrie und Dienstleistungen.?

Die Universitäten haben hier eine Sonderstellung, denn sie sind unmittelbar in alle diese Prozesse involviert. Der Grund hierfür ist ihre Schlüsselrolle in den drei Bereichen Forschung und Verwertung der Forschungsergebnisse (durch Kooperationen mit der Industrie und Spin-off-Unternehmen), allgemeine und berufliche Bildung (insbesondere Ausbildung von Forschern) sowie regionale und lokale Entwicklung (zu der sie maßgeblich beitragen können).

Debatte mit Universitäten und Behörden

In der Mitteilung werden einige Bereiche angesprochen, in denen Reflexions- und Handlungsbedarf besteht, und eine Reihe von Fragen aufgeworfen:

  • Wie lässt sich sicherstellen, dass die Universitäten langfristig über ange-messene Einnahmen verfügen und dass die Mittel so effizient wie möglich eingesetzt werden?
  • Wie lassen sich Autonomie und Professionalität sowohl in akademischen Belangen als auch im Hochschulmanagement gewährleisten?
  • Wie lassen sich genug Ressourcen bündeln, um exzellente Leistungen zu erzielen? Wie können geeignete Bedingungen geschaffen werden, unter denen die Universitäten auf Exzellenz hinarbeiten und sie auch erzielen können?
  • Wie können die Universitäten besser auf lokale und regionale Anforderungen eingehen und zur Umsetzung entsprechender Strategien beitragen?
  • Wie können Maßnahmen in allen diesen Bereichen zum Aufbau eines kohärenten, aus miteinander kompatiblen Elementen bestehenden und wettbewerbsfähigen europäischen Hochschulraums (wie in der Erklärung von Bologna vorgesehen) bzw. eines Europäischen Forschungsraums (Zielsetzung des Europäischen Rates von Lissabon vom März 2002) beitragen?

Die nächsten Schritte

Die Kommission wird im Sommer 2003, vor dem Treffen der europäischen Bildungsminister im September 2003 in Berlin, eine Bestandsaufnahme der Diskussionsbeiträge vornehmen. Die Bildungs- und Forschungsminister werden geeignete Initiativen ermitteln und prüfen.

Europäische Universitäten: Unzureichende Mittelausstattung

In den Mitgliedstaaten machen die öffentlichen Bildungsausgaben (alle Bildungs-ebenen zusammengenommen) im Durchschnitt 5 % des BIP aus. Dieser Anteil entspricht in etwa dem in den USA und liegt über dem Anteil in Japan (3,5 %). Allerdings sind die öffentlichen Bildungsausgaben in Europa zuletzt nicht im gleichen Maße gestiegen wie das BIP, sondern in den vergangenen zehn Jahren sogar zurückgegangen. Die Gesamtausgaben für die Hochschulbildung wurden in keinem Mitgliedstaat analog zur wachsenden Zahl der Studierenden erhöht. Vielmehr hat sich hier eine erhebliche Lücke zu den Vereinigten Staaten aufgetan: 1,1 % des BIP in der EU gegenüber 2,3 %, also mehr als doppelt so viel, in den USA. Dieser Abstand ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Anteil der privaten Hochschulfinanzierung – vor allem durch die Familien – in Europa sehr gering ist. Er entspricht lediglich 0,2 % des europäischen BIP, während dieser Anteil in Japan bei 0,6 % und in den USA bei 1,2% des BIP liegt.

Insgesamt stehen den amerikanischen Universitäten sehr viel mehr Mittel zur Verfügung als den europäischen: im Durchschnitt zwei- bis fünfmal so viel pro Studierendem. Dieser Unterschied ist teilweise durch den Eigenbeitrag der Studierenden in den USA – den auch die zahlreichen ausländischen Studierenden leisten – zu erklären. Die amerikanischen Universitäten profitieren jedoch gleichzeitig von einer umfangreichen staatlichen Finanzierung (einschließlich Mitteln für Forschung und Verteidigung) sowie – insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung – von beträchtlichen privaten Mitteln, die Unternehmen und Stiftungen zur Verfügung stellen. Die großen forschenden Universitäten verfügen außerdem häufig über ein erhebliches Vermögen, das sie im Laufe der Zeit durch private Schenkungen (insbesondere von Ehemaligenvereinigungen) aufgebaut haben.

Da sich die Unterfinanzierung der europäischen Universitäten immer weiter zuspitzt, wird deren Fähigkeit eingeschränkt, die größten Talente für sich zu gewinnen und Exzellenz in Forschung und Lehre zu fördern . Es ist eher unwahrscheinlich, dass die bestehende Lücke allein mit zusätzlichen öffentlichen Mitteln geschlossen werden kann, weshalb auch nach anderen Wegen gesucht werden muss, um die Einnahmen der Universitäten zu steigern und zu diversifizieren. In einer Studie über die Finanzierung der europäischen Universitäten wird die Kommission die wesentlichen Entwicklungen in diesem Bereich untersuchen und vorbildliche Verfahren ermitteln.

Auf der Tagung des Europäischen Rates von Barcelona im März 2002 hat sich die EU das Ziel gesetzt, den für Forschung und Entwicklung aufgewandten Anteil ihres BIP auf 3 % zu steigern . Dies macht erhebliche Anstrengungen insbesondere bei den Humanressourcen im Forschungsbereich, auch an Universitäten, erforderlich.

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