Was ist Materie? Neue Entwicklungen in der Forschung verändern unser Weltbild

Freiburger Sommerschule für Theoretische Physik ermöglicht jungen Studierenden Einblicke in moderne Forschungsthemen

Was ist Materie? Diese Frage ist wohl fast so alt wie die Menschheit selbst und hat im Laufe der Geschichte immer wieder zu umfassenden philosophischen Spekulationen geführt. Neueste Forschungsentwicklungen in der theoretischen Physik zeigen uns aber, dass Materie mehr ist als nur das, was wir im eigentlichen Sinn des Wortes sinnlich „be-greifen“ können. Damit steht letztlich auch unser gesamtes Weltbild zur Disposition. Solche und ähnliche Fragen stehen im Mittelpunkt der zweiten „Freiburger Sommerschule für Theoretische Physik“, die von Montag, den 16. September, bis Freitag, den 20. September 2001, an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität stattfindet und zu der die Veranstalter wieder 35 Studierende aus ganz Deutschland erwarten, um sich über die neuesten Forschungsthemen zu informieren.

Verantwortlich für dieses Projekt sind die beiden Freiburger Physik-Dozenten Privatdozent Dr. Domenico Giulini und Professor Dr. Francesco Petruccione: Sie haben im letzten Jahr das bundesweit einmalige Projekt der Freiburger Sommerschule für Theoretische Physik mit Hilfe von Stiftungsgeldern des Istituto Italiano per gli Studi Filosofici in Neapel sowie durch Sponsorenbeiträge der Buchhandlung Lehmanns aus Freiburg ins Leben gerufen.


Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erlaubt Rückschlüsse auf „Schwarze Löcher“ und exotische Materie

Täglich machen wir die Erfahrung, dass materielle Objekte der Schwerkraft (etwa beim zu Boden fallen) und Trägheitskräften (spürbar beim Beschleunigen oder Abbremsen) unterliegen. Diese beiden Phänomene werden in der gegenwärtigen Physik durch Einsteins „Allgemeine Relativitätstheorie“ aus dem Jahre 1915 mathematisch einheitlich beschrieben. Diese erklärt nicht nur alle Himmelserscheinungen im Zusammenhang mit der Bewegung der Planeten in unserem Sonnensystem, sondern reicht in ihrer Gültigkeit weit darüber hinaus, sei es bis zu den größten uns heute durch Beobachtungen zugänglichen Distanzen (13 Milliarden Lichtjahre) oder den extremen Bedingungen, wie sie in den Zentren von Galaxien herrschen, etwa unserer eigenen, die wir in klaren Nächten als Milchstraße wahrnehmen können.

Durch die Theorie Einsteins wird nun die Bewegung astronomisch wahrnehmbarer Objekte mit der vor Ort vorliegenden Materie und Energieverteilung verknüpft. Modernste astronomische Methoden hochauflösender Bewegungsmessungen an entfernten Objekten erlauben somit genaue Rückschlüsse auf die dort vorhandene Materie. Dabei ergaben sich u.a. in jüngster Zeit zwei erstaunliche Resultate:

1. Das Zentrum unserer sowie vieler anderer Galaxien beherbergt ein extrem kompaktes Objekt von mehr als einer Millionen Sonnenmassen. Dabei kann es sich nach heutigen Vorstellungen nur um ein so genanntes Schwarzes Loch handeln, dessen Gravitationskraft selbst Licht am entweichen hindert. Dies ist auch der Grund, dass man das „Schwarze Loch“ eigentlich nicht sieht sondern eben nur durch seine Umgebungseinflüsse indirekt erschließen kann. Kollidieren solche Schwarzen Löcher so können sie extreme Mengen einer neuartigen Strahlung freisetzen, die sogenannte „Gravitationsstrahlung“, die zwar von Einstein bereits 1918 vorausgesagt wurde, aber bisher noch nicht direkt nachgewiesen werden konnte. Vor 6 Monaten haben die weltweit ersten Großexperimente zum Nachweis dieser Strahlung bei Hannover und in den USA ihren Betrieb aufgenommen.

2. Die Gesamtmenge an gravitativ nachweisbarer Masse bzw. Energie übersteigt bei weitem die Menge der mit anderen Methoden nachgewiesenen. Wenn es bei den Ergebnissen dieser Präzisionsmessungen der letzten zwei Jahre bleibt, stehen wir vor der frappierenden Tatsache, dass etwa 95 Prozent der gravitativ nachweisbaren Masse bzw. Energie im Universum nicht in das Weltbild der heutigen Physik passt. Man spricht in diesem Zusammenhang von „dunkler Materie“. Zur Zeit gibt es eine handvoll konkurrierender theoretischer Spekulationen darüber, wie diese neuartige Materie zu beschreiben ist. Diese gehen teilweise von der Vorstellung aus, dass unser Universum nicht drei sondern mehr Raumdimensionen besitzt, in denen sich diese „dunkle Materie“ bisher vor uns „verstecken“ konnte.

Offene Quantensysteme: Von den Grundlagen der Quantenmechanik zu den Technologien der Zukunft

Die Möglichkeit, Musik in Form von CDs zu hören, verdanken wir dem Laser. Der Laser tastet die Oberfläche der CD ab und ermöglicht somit die Wiedergabe von digital aufgenommener Musik in hoher Qualität. Ein Laserstrahl besteht aus einem kohärenten Bündel von Lichtteilchen, den so genannten Photonen, d.h. von synchron schwingenden Lichtteilchen. Im Gegensatz dazu sind die Schwingungen des Lichtes einer normalen Glühbirne völlig ungeordnet. Die Herstellung kohärenten Lichtes kann nur mit Methoden der Quantenmechanik verstanden werden; sie liegt außerhalb des Phänomenbereichs des Weltbildes der klassischen Physik.

Die Quantenmechanik gilt heute als die genaueste physikalische Theorie, die die gesamte mikroskopische, atomare und subatomare Welt beschreibt. Seit ihrer

Entwicklung durch Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und andere um das Jahr 1927 ist sie zu einer extrem erfolgreichen Theorie mit einer Fülle von Anwendungsgebieten ausgebaut worden. So bildet die Quantentheorie zum Beispiel die Grundlage für Erfindungen wie die des Lasers und des Halbleiters, von Technologien also, die unsere Zeit entscheidend geprägt haben. Einer Schätzung zufolge beruht etwa 30 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts auf der wirtschaftlichen Nutzung von Technologien, die auf der Quantenmechanik basieren.

In ihrer ursprünglichen Formulierung beschreibt die Quantenmechanik einzelne Objekte, wie zum Beispiel ein Wasserstoffatom. Die meisten interessanten Systeme sind aber keineswegs isoliert, vielmehr stehen sie in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Der angesprochene Laser z.B. arbeitet nur, weil er aus einem Reservoir Energie in inkohärenter Form, d.h. wellenartiger Form aufnimmt, um diese in kohärenter, d.h. wellenartiger Form an seine Umgebung wieder abzugeben.

Aus diesem Grund beschäftigt man sich heute in der theoretischen Physik intensiv mit der Theorie offener Quantensysteme, in der sowohl Grundlagenprobleme als auch praktische Anwendungen eine Rolle spielen. Ein typisches Beispiel für den engen Zusammenhang zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung ist das so genannte Phänomen der Dekohärenz. Hierunter versteht man den Verlust des typisch quantenmechanischen, kohärenten Verhaltens beim Übergang von der mikroskopischen zur makroskopischen Welt. Das Verständnis und die gezielte Kontrolle dieses Phänomens sind unverzichtbar für künftige Entwicklungen, wie zum Beispiel die Quantenkryptographie, der Quantencomputer und der Atomlaser, die gerade auf der Erhaltung des Wellencharakters beruhen.

Kontakt:
PD Dr. Domenico Giulini
Prof. Dr. Francesco Petruccione
Fakultät für Physik
Hermann-Herder-Straße 3
79104 Freiburg
Tel: 0761/203-5828 oder -5819
Fax 0761/203-5967
Mail: giulini@physik.uni-freiburg.de 
petruccione@physik.uni-freiburg.de

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