Forschergruppe "Governance der Forschung" – Fünf Jahre Forschung zu Reformen im Wissenschaftssystem

Seit fünf Jahren untersucht die Forschergruppe „Governance der Forschung“ diese Fragen mit dem Ziel, Gestaltungsoptionen für den Reformprozess zu entwickeln. Ein guter Anlass für eine Zwischenbilanz: „Wir können zeigen, dass die Reformen nicht nur positiv, sondern auch kontraproduktiv wirken können. Es gibt auch nicht das eine Erfolgsrezept im Sinne von 'one size fits all'. Deshalb soll unsere Forschung Gestaltungsoptionen aufzeigen, die der Vielfältigkeit des Forschungssystems gerecht werden“, so die Sprecherin der Forschergruppe, Prof. Dr. Dorothea Jansen.

Die Erkenntnis, dass keine einfachen Lösungen für einen innovationsfördernden Umbau des Forschungssystems vorlagen, mündete in der Gründung der Forschergruppe „Governance der Forschung“, die im Sommer 2003 durch die DFG eingerichtet wurde. Seit fünf Jahren untersuchen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler die Reformen im Forschungssystem aus interdisziplinärer Perspektive. Ein guter Anlass für eine Zwischenbilanz.

Dabei kommt die Forschergruppe durchaus zu kritischen Ergebnissen. Ein Ergebnis der Untersuchungen ist, dass die wachsende Abhängigkeit von Drittmitteln sich durchaus negativ auf die Leistungsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Forschung auswirken kann. Mehr Drittmittel müssen nicht automatisch zu mehr Leistung führen. Die Leistungsfähigkeit einer Forschungsgruppe kann sogar sinken, wenn disziplinspezifische Schwellenwerte des Anteils an Drittmittelforschung überschritten werden. Die Kosten der Administration, Koordination und Kommunikation in immer größeren Forschungseinheiten nehmen dann Überhand.

Ebenso kann die Forschergruppe zeigen, dass New Public Management (NPM) zwar die Leistungsfähigkeit auf der Ebene der Forschung stärken kann. NPM kann aber gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des gesamten Forschungssystems schwächen, wenn Wissenschaftler nur noch die geforderten Leistungsindikatoren bedienen. Daher gilt: Leistungsmessungen müssen möglichst breit angelegt sein, um die Funktionsbalance des Gesamtsystems zu wahren. NPM und sich verändernde Organisationsformen beeinflussen auch die Doktorandenausbildung, wobei durch NPM gesetzte finanzielle Anreize nicht entscheidend sind. Vielmehr zeigt sich, dass Fachbereiche mit hoch motivierten Professoren, die über ein ausreichendes Zeitbudget für Betreuungsaufgaben verfügen, erfolgreich in der Doktorandenausbildung sind. Fehlen diese beiden Ressourcen, leidet die Ausbildung, mit entsprechend negativen Konsequenzen.

Erstmals wurden im Rahmen der Forschergruppe die Heterogenität und Performanz von DFG-Graduiertenkollegs untersucht. Neben deutlichen Unterschieden zwischen den Disziplinen zeigen die Zwischenergebnisse, dass die Heterogenität innerhalb der Kollegs deren Leistungsfähigkeit beeinflusst: So wirkt die fachliche Heterogenität positiv auf die Publikationsaktivitäten der einzelnen Kollegs. Nationale Heterogenität wirkt dagegen negativ.

Für die populäre und durch hohe Erwartungen gekennzeichnete Nanowissenschaft zeigen Analysen der Forschergruppe, dass diese durch Anwendungsorientierung, Interdisziplinarität und Industriekooperationen gekennzeichnet ist. Eine hohe Erwaltungshaltung der Politik und der Einfluss von Drittmittelgebern forcieren diese Ausrichtung. Gleichzeitig besitzt die Nanowissenschaft aber auch Merkmale einer Grundlagenwissenschaft. Daher mahnt die Forschergruppe, dass eine zu starke Störung dieser Grundlagenorientierung die Leistungsfähigkeit der Nanowissenschaft beeinträchtigen kann.

Auf Basis dieser und weiterer Befunde hat die Forschergruppe ihre Forschungspolitischen Thesen entwickelt. Darin zeigt sie Fehlentwicklungen im Reformprozess auf und bietet Gestaltungsempfehlungen für eine leistungsfähige öffentliche Forschung an. Sie plädiert für einen wohl dosierten Einsatz von Evaluationen sowie disziplinspezifische und mehrdimensionale Leistungsmessungen. Zudem warnt die Forschergruppe vor einer Konzentration der Drittmittelförderung auf wenige erfolgreiche Einrichtungen – was eine Folge der Exzellenzinitiative sein könnte -, weil sie den Wettbewerb im Forschungssystem eher behindern als fördern würde. Auf und Abstieg von Newcomern bzw. Etablierten müssen weiterhin möglich sein. Profilbildungsprozesse einzelner Universitäten werden ebenfalls kritisch beurteilt, wenn sie zur Marginalisierung wenig nachgefragter Fächer führen.

Auch zukünftig wird sich die Forschergruppe auf den Reformprozess konzentrieren, denn der Reformdruck hat sich teils noch verstärkt und die Umsetzung der Reformen beginnt erste Wirkungen zu zeigen. Zusammen mit ihrem strategischem Partner, dem Zentrum für Wissenschaftsmanagement Speyer, wird die Forschergruppe weiterhin den Austausch mit der Praxis suchen. Natürlich ist der Forschergruppe bewusst, dass viele Reformen erst mittel- und langfristig wirken. Prof. Dr. Dorothea Jansen: „Die durchaus notwendigen Reformen setzen eine Dynamik in Gang, deren endgültiges Ergebnis noch nicht absehbar ist. Der gesamte Prozess ist sehr vielschichtig. Trotzdem können wir schon jetzt Leitplanken aufstellen, um die Reformen innovationsfördernd zu gestalten und der Vielfältigkeit des Forschungssystem gerecht zu werden.“

Media Contact

Dr. Klauspeter Strohm idw

Weitere Informationen:

http://www.foev-speyer.de/governance

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