Baden-württembergische Automobilzulieferer noch nicht fit für die Herausforderung Elektromobilität

Doch die technologische Zukunftsfähigkeit zahlreicher Automobilzulieferer in Baden-Württemberg ist bei alternativen Antriebskonzepten deutlich kritischer einzuschätzen als bislang angenommen.

Abgesehen von den großen Systemlieferanten ist das Gros der stark mittelständisch geprägten baden-württembergischen Zulieferindustrie im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen der Elektromobilität eher schlecht gerüstet.

Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung bilden sie im Vergleich zu Unternehmen aus anderen deutschen Automobilzulieferregionen das Schlusslicht, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI.

Die im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart durchgeführte Studie untersucht die Zukunftsfähigkeit baden-württembergischer Automobilzulieferer vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden technologischen Wandels hin zu Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Innovationspotenziale der in Baden-Württemberg angesiedelten Zulieferer ausreichen, um sich den potenziellen Umstrukturierungserfordernissen erfolgreich stellen zu können.

„Die Automobilzulieferindustrie muss sich auf einen technologisch und wirtschaftsstrukturell tiefgreifenden Wandel einstellen. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs in seinen verschiedenen Ausprägungen wird in den kommenden Jahren zu neuen Entwicklungen und Veränderungen in Marktpositionen führen“, erläutert Dr. Christoph Zanker, Projektleiter am Fraunhofer ISI. Zwar wird mittel- bis langfristig in einem Großteil der Personenkraftwagen der Verbrennungsmotor Teil des Antriebsstrangs sein. Allerdings wird aktuellen Berechnungen des Fraunhofer ISI zufolge bis zum Jahr 2030 für konventionelle Antriebskomponenten wie Verbrennungsmotor, Abgasanlage, Kraftstoffversorgung oder Getriebe trotz eines wachsenden PKW-Gesamtmarkts allenfalls mit schwachen Wachstumspotenzialen zu rechnen sein. Spürbares Wachstum lässt sich zukünftig in erster Linie mit Komponenten für den elektrischen Antriebsstrang realisieren.

Trotz dieser Prognosen sind die Innovationsanstrengungen der Automobilzulieferer bislang eher zurückhaltend. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung als Indikator für die Fähigkeit, technologische Herausforderungen aufgreifen zu können, betragen bei baden-württembergischen Automobilzulieferern im Mittel lediglich 2,6 Prozent am Umsatz und liegen damit im Vergleich zu den anderen deutschen Automobilzulieferregionen an letzter Position. Bedenklich ist auch, dass die untersuchten Unternehmen schon heute nur unterdurchschnittliche Umsätze mit Produktneuheiten realisieren. Zudem überrascht, dass die Automobilzulieferer wenig mit Forschungseinrichtungen kooperieren. Obgleich aus der Forschung momentan wohl die wichtigsten Impulse für die Elektromobilität stammen, vertraut beispielsweise ein Großteil der Automobilzulieferer eher auf Informationen von Kunden oder der (Fach-) Presse. „Wir befürchten, dass nicht wenige Zulieferer die Relevanz der Elektromobilität für ihr Unternehmen und den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben“, fasst Dr. Christoph Zanker zusammen.

Die eher kritische Situation der kleinen und mittleren Automobilzulieferer in Baden-Württemberg wird durch Patentanalysen bestätigt: Hier zeigt sich eine extreme Ungleichverteilung zugunsten der wenigen großen Systemzulieferer, auf die mehr als 85 Prozent der Patentanmeldungen zurückgehen. Allerdings ist auch das hohe Patentaufkommen der Großunternehmen nicht uneingeschränkt positiv einzuschätzen. Sie patentieren nämlich nach wie vor schwerpunktmäßig im Bereich konventioneller Antriebskomponenten und weniger in elektromobilitätsrelevanten Technologien, insbesondere in der Batterietechnologie. Der Blick nach China zeigt, dass es dort genau andersherum ist. „Wir beobachten in China eine starke Dynamik vor allem in den Patenten für Batterietechnologie und Elektromotoren“, erläutert Dr. Thomas Stahlecker, Mitautor der Studie.

Die Studienergebnisse implizieren großen Handlungsbedarf für die baden-württembergischen Zulieferer, um auch mittel- bis langfristig die technologische Anschlussfähigkeit beziehungsweise ihren bestehenden Technologievorsprung und somit auch die eigene Zukunftsfähigkeit zu wahren. Die Automobilzulieferindustrie zählt nicht nur in Baden-Württemberg sondern auch in Deutschland zu den gesamtwirtschaftlich tragenden Säulen. Ohne Unterstützung aus der Politik werden sich gerade kleine und mittlere Zulieferer schwertun, die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Das Fraunhofer ISI hat daher in der Studie konkrete Maßnahmen als Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Politik formuliert.

Weitere Informationen zur Studie sowie die Bestellmöglichkeiten gibt es auf der Seite http://www.stuttgart.ihk24.de/

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert die Rahmenbedingungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der breiten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

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