Intelligentes Badezimmer hilft Produktdesignern, Fehler bei der Entwicklung zu verhindern

Das &quot;intelligente&quot; Badezimmer erkennt, welcher Nutzer gerade im Raum ist. Es passt die Situation individuell auf die Person an. Foto: Oliver Dietze<br>

Der Raum voller Hightech reagiert individuell auf die jeweilige Situation der Nutzer. Das Badezimmer ist für die Forscher ein Testobjekt. Derzeit scheitern nämlich noch viele Produktideen daran, dass Fehler im Design viel zu spät entdeckt werden, weil die Entwickler – Ingenieure, Designer, Informatiker – jeweils nicht wissen, was die anderen machen. Sie sprechen buchstäblich andere Sprachen.

Die Wirtschaftswissenschaftler wollen das Wissen auf eine formale Ebene heben, das für die Entwicklung von IT-basierten Produkten, sogenannte Produkt-Service Systeme, wichtig ist. Ist dieses Wissen für solche Prozesse formalisiert, könnten Designfehler vermieden und die Entwicklung neuer Produkte günstiger werden.

„Computer: Licht!“ Sätze wie dieser, die in den 80er Jahren allenfalls die Besatzung des Raumschiffes Enterprise sprechen konnte und es tatsächlich heller wurde, sind inzwischen längst keine Science Fiction mehr. Sprachbefehle versteht inzwischen jedes Mobiltelefon. Viel schwieriger ist es jedoch, dem Computer beizubringen, dass sich die Ansprüche und Anforderungen eines bestimmten Nutzers von denen eines anderen Nutzers in derselben Umgebung unterscheiden und der Computer das auch automatisch erkennt.

Wolfgang Maass, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik im Dienstleistungsbereich, hat gemeinsam mit seinem Team ein „intelligentes“ Badezimmer entworfen, das nach dem Prinzip des Semantischen Web funktioniert. Das Badezimmer kann verschiedene Informationen in völlig neuen Situationen miteinander verknüpfen. Es erkennt, wer gerade im Badezimmer steht und wo sich die Person befindet. Je nach Standort wird die Beleuchtung des Raums geändert. Möchte der Badezimmerbenutzer in der Dusche die Nachrichten schauen, werden diese auf einer Projektionsfläche in der Duschkabinenwand angezeigt. Verlässt er die Dusche, während die Nachrichten noch laufen, erkennen die Sensoren im Raum das und projizieren den Film auf eine Fläche vor der Duschkabine.

Ein anderer Nutzer schaut abends hingegen gerne Kinofilme. Betritt er morgens das Bad, schlägt ihm das „intelligente“ Bad beispielsweise vor, welche Filme er sich abends im Kino anschauen könnte. Entscheidet er sich für einen Streifen, kann er über das System auch die Karten bestellen.

„Wir sprechen hier auch vom so genannten Internet der Dinge. Dabei geht es um die Vernetzung physischer Alltagsumgebungen mit digitalen Diensten zur besseren Anpassung an den Nutzer und Nutzergruppen“, erklärt Professor Maass. Ein bekanntes Beispiel für das Internet der Dinge sind RFID Tags, kleine Funksensoren, die den Standort von Gegenständen und Menschen übermitteln und die mittlerweile überall verwendet werden. „Im Projekt IKS verwenden wir zwar andere Sensortechniken zur Identifikation von Objekten und Nutzern, jedoch ist das intelligente Bad eine der wenigen, integrierten Anwendungen des Internets der Dinge, die sich an das Verhalten von Menschen anpassen“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Demnach ist das Bad natürlich mehr als reine Spielerei. Denn wie der Computer letztlich die individuellen Entscheidungen trifft, wie er Informationen also je nach Situation unterschiedlich zusammensetzt und analysiert, daran forschen die Saarbrücker Wissenschaftler. „Die Entwicklung von neuen IT-Systemen geht in mindestens 50 Prozent aller Fälle schief“, erklärt Wolfgang Maass. „Den Grund dafür müssen wir verstehen.“ In der Produktentwicklung spielen viele Menschen eine Rolle: Testnutzer sagen, wie im Beispiel des Badezimmers auch, was sie für sinnvoll halten. Designer entwerfen das Bad, Informatiker und Ingenieure setzen es in die Wirklichkeit um. „Und jeder kommt im Laufe des Entstehungsprozesses immer wieder mit neuen Ideen und Anregungen“, erklärt Wolfgang Maass das Problem. Das Produkt wird letzten Endes zu teuer und zu überfrachtet.

Das Wissen, wie ein IT-System wie im Beispiel des Bades entworfen werden muss, damit es umgesetzt werden kann und nicht überfrachtet wird, muss daher formalisiert werden. Bisher ist das nicht der Fall. „Geht in einer späteren Phase der Produktentwicklung etwas schief, wird es meist sehr teuer, diesen Fehler wieder auszubügeln“, so Wirtschaftswissenschaftler Maass. „Die Ursachen für einen solchen Fehler liegen dagegen nämlich oft in frühen Phasen der Entwicklung, bleiben aber lange unentdeckt.“ Wird das IT-Wissen allerdings auf eine formalisierte Ebene gehoben, können sich alle an der Entwicklung eines Produktes beteiligten Personen daran orientieren. Informatiker verstehen dann, was die Ingenieure machen, Designer wissen, was die Endnutzer wollen. So werden Produkte also gleichermaßen günstiger und „intelligenter“.
Das intelligente Badezimmer ist Teil des Projektes „Interactive Knowledge Stack“ (IKS) der Europäischen Union. Ende des Jahres wird das Projekt auslaufen. Zwischenzeitlich ist es mehrfach von Gutachtern als „exzellent“ eingestuft worden. Beteiligt an dem Projekt ist auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken.

Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maass
Tel.: (0681) 30264736
E-Mail: wolfgang.maass@iss.uni-saarland.de

Andreas Filler
Tel.: (0681) 30264739
E-Mail: andreas.filler@iss.uni-saarland.de

Videomaterial für Online und TV können die Wissenschaftler zur Verfügung stellen.

Hinweis für Hörfunk-Journalisten:
Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern und Studenten der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-ISDN-Codec. Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681/302-3610) richten.

Media Contact

Thorsten Mohr Universität des Saarlandes

Weitere Informationen:

http://www.uni-saarland.de

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