„Dicke Luft“ in Städten: Helle Fassaden und Bäume gegen Hitze und Smog

Modellrechnungen zu Temperaturen im Stadtgebiet Stuttgart. Durch ihre Kessellage ist die Stadt sehr interessant für Modellrechnungen zum Stadtklima. (Grafik: Joachim Fallmann, KIT)

Forscher des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Garmisch-Partenkirchen haben eine neue Simulationsstrategie entwickelt, welche die Temperaturentwicklung in Städten und den Transport von Schadstoffen gemeinsam betrachtet.

Am Beispiel der Hitzewelle von 2003 wurde das Stadtklima von Stuttgart unter verschiedenen Bedingungen simuliert. „Durch ihre Lage im Kessel ist die Stadt Stuttgart sehr interessant für Modellrechnungen zum Stadtklima“, erklärt Joachim Fallmann vom IMK-IFU, der an der Modellentwicklung beteiligt war.

Er hat verschiedene Szenarien simuliert, etwa in denen die Gebäude Stuttgarts aufgrund ihrer Farbe mehr Strahlung reflektieren. Weiße Häuser sind eine traditionelle Strategie gegen städtische Aufheizung im Mittelmeerraum. Joachim Fallmann erklärt diese Eigenschaft namens Albedo:

„Je heller die Gebäude und Oberflächen in einer Stadt sind, desto geringer ist die Aufheizung, weil kurzwellige Strahlung reflektiert wird und das Material nicht erwärmen kann. Dann sprechen wir von einer hohen Albedo. Typische graue Hochhäuser haben dagegen eine geringe Albedo und sind regelrechte Wärmefänger.“ Der neue Modellansatz konnte bestätigen, dass hellere Gebäude tatsächlich geeignet sind, der Wärmeinsel entgegenzuwirken.

Doch was die Luftqualität angeht, hat diese Strategie einen überraschenden Haken: „Wenn es kühler wird, ist die vertikale Durchmischung der Luft weniger stark. So halten sich Feinstaub und Schadstoffe wie Stickoxide näher am Boden und sind stärker konzentriert als in einer wärmeren Stadt.“

Besonders für Einwohner in Städten mit ausgeprägten primären Schadstoffquellen wie Industriequartieren oder besonders dichtem Verkehr hätte der Kühleffekt also auch eine schwerwiegende Schattenseite. Im Fall anderer, sogenannter sekundärer Schadstoffe ist der Effekt wiederum positiv: „Wenn es kühler ist, bildet sich weniger schnell Ozon, das am Boden schädlich für die Atemwege sein kann.“ Die Atmosphärenchemie und die Wärmeentwicklung in einer Stadt müssen deshalb gemeinsam betrachtet werden.

Mehr Grün in der Stadt ist eine Strategie, die den Effekt des verringerten Lufttransports ausgleichen kann. Bäume nehmen CO2 auf und können an ihrer Oberfläche sogar Feinstaub binden. Doch auch hier sind Details entscheidend, wie Joachim Fallmann erklärt: „Es müssen auch die richtigen Bäume zum Einsatz kommen. Vor allem Pappeln, Eichen und Platanen zählen zu Produzenten von biogenen Stoffen wie Pollen, welche wiederum Vorläuferstoffe zur Bildung von Ozon abgeben können.“ Ein für die Luftqualität vorteilhafter Baum wäre in diesem Sinne etwa der Ahorn.

Um den komplexen Zusammenhängen weiter auf den Grund zu gehen, ist das Modell des IMK-IFU ein wichtiges Werkzeug. Letztlich, so Joachim Fallmann, muss jede Stadt individuell betrachtet werden: „Stuttgart hat ganz andere Voraussetzungen als beispielsweise München, wo die Alpen häufig Frischluft liefern. Unser Ziel ist, das Simulationsmodell so zu verfeinern, dass es maßgeschneiderte Lösungen für verschiedene Städte zuverlässig überprüfen kann.“

Das IMK-IFU kooperiert mit dem Stuttgarter Amt für Umweltschutz, wo die Anwendbarkeit der Studien in der Stadtplanung diskutiert wird, sowie dem Institute of Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam. Dort laufen im Moment ausführliche Kampagnen für die Stadt Berlin. Zudem ist das IMK-IFU in einem Europäischen Konsortium namens „Green Infrastructure“ involviert, das die Auswirkung von Stadtvegetation auf die Luftqualität für verschiedene europäische Städte untersuchen wird.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vereint als selbstständige Körperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben einer Universität des Landes Baden-Württemberg und eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemein-schaft. Seine Kernaufgaben Forschung, Lehre und Innovation verbindet das KIT zu einer Mission. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 24 500 Studierenden ist das KIT eine der großen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas.

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Monika Landgraf Karlsruher Institut für Technologie

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