Brücke aus Superbeton bewährt sich in einem aufwändigen Prüfprogramm

Die Universität Kassel ist bei der Entwicklung eines ultrahochfesten Betons („Ultra high Performance Concrete – UHPC) führend. Die Kasseler Betonmischung erreicht eine mit Baustahl vergleichbare Druckfestigkeit, reagiert weniger anfällig auf Witterungseinflüsse und erlaubt die Errichtung filigraner Bauwerke, die wesentlich leichter sind als die mit herkömmlichem Beton gebauten Tragwerke.

Das beweist die Gärtnerplatzbrücke in Kassel, die als Fußgänger- und Radfahrerbrücke von der Stadt 2007 im Rahmen eines vom Land Hessen geförderten Pilotprojekts über die Fulda errichtet wurde. Doch bevor der innovative Beton aus Kassel als genormter Standard im Ingenieurbauwesen zugelassen wird, müssen sich die bisher nur im Labor getesteten Eigenschaften des Betons erst in der Praxis unter Dauerbelastung bewähren. Die Chancen dafür, dass die Kasseler Mischung diesen Test besteht, sind glänzend.

„Die Gärtnerplatzbrücke ist noch wie neu. Ihr Tragverhalten entspricht genau den Erwartungen“, sagt Professor Dr. Michael Link vom Institut für Baustatik und Baudynamik der Universität Kassel. Er leitet das auf vier Jahre, bis Mitte 2010, angelegte Projekt zur Überwachung der Brücke, um kontinuierlich das Schwingungsverhalten der Brücke, die Dehnung und Durchbiegung der tragenden Betonteile unter dem Einfluss des Wechselspiels von Belastung, Temperatur und Feuchte zu messen. Professor Link arbeitet dabei eng mit Prof. Dr. Michael Schmidt und mit Professor Dr. Ekkehard Fehling vom Institut für Konstruktiven Ingenieurbau zusammen, unter deren Leitung der neue Beton entwickelt worden war. Bereits zwei Tage vor der Eröffnung der Gärtnerplatzbrücke maßen die Kasseler Wissenschaftler das Schwingungsverhalten des Bauwerks in Ruhe und unter Belastung, um die messtechnische Grundlage für die späteren, kontinuierlichen Kontrollen zu erhalten. Dabei wurde mit einem speziellen Hammer 1000 Mal auf die noch „jungfräuliche“ Brücke eingeschlagen.

15 an der Brücke fest eingebaute Sensoren liefern fortlaufend Daten über die Schwingungsfrequenz des 140 Meter langen Bauwerks an einen im Brückenwiderlager installierten Computer. Sie können via Internet von den Projektmitarbeitern der Universität abgerufen und in ein virtuelles Computermodell der Brücke eingearbeitet werden. Abweichungen im Vibrationsverhalten der Brücke, das sozusagen den Herzschlag der Brücke darstellt, geben nach den Worten von Professor Link Hinweise auf eingetretene Schäden im Beton.

Und nicht nur dort. Das besondere Augenmerk der Kasseler Wissenschaftler gilt den Klebestellen, mit denen die dünnen Fahrwegsplatten der Brücke fest aneinander gefügt und zugleich mit dem tragenden Balken aus Superbeton, dem so genannten Obergurt, verbunden worden sind. Letzterer verbindet das Betonbauwerk mit der fachwerkartigen Stahlunterkonstruktion der Brücke. Die Kasseler Forscher sind laut Professor Link weltweit die ersten, die Brückenteile dieser Größe mit einem Industriekleber verbinden. Sowohl die Gehwegsplatten als auch der Obergurt sind mit Stahlkabeln vorgespannt, um die Steifigkeit der Betonkonstruktion zusätzlich zu optimieren. An den Klebeverbindungen seien bisher keinerlei Veränderungen aufgetreten, sagt Professor Link.

Neben Parametern wie der Menge der vom Superbeton aufgenommenen Feuchtigkeit oder der Ausdehnung des Materials wird der Neigungswinkel der Brücke gemessen: Er sagt aus, wie stark die Brücke zwischen ihren beiden Widerlagern „durchhängt“. Je größer der Neigungswinkel wird, um so mehr lässt die Tragfähigkeit der Brücke nach.

Auch diesen Test hat das Bauwerk während eines Belastungsversuchs der Bundesanstalt für Materialprüfung im Sommer dieses Jahres mit Bravour bestanden. Unter dem Gewicht einer 2,6 Tonnen schweren Walze veränderte sich der bereits im Jahr zuvor gemessene nur etwa zwei Hundertstel Grad große Neigungswinkel der Brücke kaum, berichtet Professor Link. Das bedeute eine nur unwesentliche Veränderung der Steifigkeit.

Der Wissenschaftler wird jetzt eine Verlängerung des Überwachungsprojekts („Monitoring“) beantragen, um eine Langzeitstudie zu erstellen. Ziel sei auch eine bessere finanzielle Förderung. Bisher habe man nur Geldmittel zur Abdeckung der Sachkosten erhalten. Die Personalkosten müsse die Universität selbst tragen, sagt Professor Link.

Info
Prof. Dr.-Ing. Michael Link
tel: (0561) 804 2632
fax: (0561) 804 3631
e-mail: link@uni-kassel.de
Universität Kassel
Fachbereich Bauingenieurwesen

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Christine Mandel idw

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