Beton – eine Liebe auf den zweiten Blick

Schon die alten Griechen und Römer kannten ein betonähnliches Material, das sie zum Bauen benutzten. Moderner Beton existiert aber erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist ein Gemisch aus Kies und Sand (Gesteinskörnung genannt), mit Zement als Bindemittel und mit Wasser. Beton ist eigentlich spröde und auf Zug nicht sehr belastbar. Daher wurde er für Bauingenieure erst interessant, als sich dieser Nachteil durch das Einbetten von biegsamem Stahl wesentlich verbessern liess.

Stahlbeton als durchschlagende Innovation

Der Durchbruch, wie Peter Marti vom Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich ausführte, gelang jedoch erst im 20. Jahrhundert mit der Entdeckung der „Vorspannung“. Dabei wird die Stahlbewehrung gespannt und der Beton durch Druck zusammengehalten, was ihn belastbarer auf Zug macht. Dadurch lassen sich beispielsweise beim Brückenbau wesentlich grössere Spannweiten erreichen. Seit der Vorspannung entwickelte sich der Betonbau zur vorherrschenden Bauweise.

Verschiedene Faktoren trugen zum „Siegeszug“ des Betons bei, wie etwa seine fast unbeschränkte Formbarkeit, seine hohe Beständigkeit gegenüber verschiedensten Einflüssen, die universale Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe und deren relativ niedrige Kosten sowie die hohe Steifigkeit und Festigkeit. Anhand einiger besonders gelungener Beispiele wie der Ganter- und Sunnibergbrücke des international bekannten Schweizer Brückeningenieurs Christian Menn demonstrierte Marti dem interessierten Publikum die vielen Gesichter des Baustoffs.

Ingenieur und Architekt arbeiten als Team

Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ingenieur war das Thema von Jürg Conzett. Der Inhaber eines Ingenieurbüros wählte dazu als Beispiel das Palazzo della Regione in Trento. Der 1964 fertig gestellte Bau besteht aus drei Trakten, dem Edificio Assessorati, welches auf charakteristischen „Baumstützen“ steht, der Sala Consiliare und der Giunta mit einer gewaltigen Spannweite. Gemäss Conzett ist dem Team beim Palazzo die Synthese zwischen der ingenieurmässigen „rechnerischen Stabilität“ und der „dargestellten Stabilität“ des Architekten besonders gut gelungen. Und an den verschiedenen Ausformungen der drei Konstruktionen verdeutlichen sich ausserdem die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten von Beton.

Die Liebe zum Beton entdeckt

Für Cathleen Hoffmann, Bauingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Empa, ist Beton eine „ständige Herausforderung“ und ein äusserst spannender Baustoff – auch für Forschung und Entwicklung. „Im Moment ist eine regelrechte Betonrevolution im Gange“, sagt sie und stellt zwei neu entwickelte Betontypen vor, den so genannten „selbstverdichtenden“ Beton sowie den Recyclingbeton. Selbstverdichtender Beton muss auf der Baustelle nicht wie sonst üblich durch Vibrieren entlüftet und verdichtet werden. Chemische Zusätze machen ihn extrem fliessfähig, dadurch verteilt er sich auch in engsten Hohlräumen gleichmässig und umhüllt die Bewehrung zuverlässig. Dies prädestiniert ihn für Anwendungen, bei denen nicht vibriert werden kann, etwa bei stark armierten Bauteilen.

Dass Beton nicht unbedingt grau sein muss, zeigt der an der Empa optimierte Recyclingbeton aus Mischabbruch. Diesem werden als Zuschlag statt Kies, Sand oder Splitt nämlich Materialien aus Bauschutt beigemengt. Durch den darin enthaltenen Backstein wird der Beton plötzlich farbig, was sich gestalterisch nutzen lässt. Die Empa hat nachgewiesen, dass Recyclingbeton die für den Bau nötige Festigkeit aufweist und sich ausserdem durch eine hohe Nachhaltigkeit auszeichnet. Trotzdem wird er noch immer „zögerlich“ eingesetzt, was Cathleen Hoffmann bedauert. Sie ist jedoch zuversichtlich, dass die attraktiven Eigenschaften der beiden Neuentwicklungen immer mehr Architekten und Ingenieure die „Liebe zum Beton“ entdecken lassen – wie sie bei ihr bereits vorhanden ist.

Was ist der Empa-Wissenschaftsapéro?

An den regelmässig stattfindenden Wissenschaftsapéros greift die Empa-Akademie gesellschaftlich relevante Forschungsthemen auf. Jeweils drei bis vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und Wirtschaft beleuchten in ihren Vorträgen das behandelte Thema aus verschiedenen Perspektiven. Anschliessend stehen sie den Besuchern entweder in Diskussionsrunden oder beim Apéro Rede und Antwort.

Der nächste Wissenschaftsapéro findet am 27. März 2007 statt zum Thema
„Krach im Himmel – was tun gegen den Fluglärm?“
Ort: Empa, St. Gallen Zeit: 16.30 Uhr.
Die Wissenschaftsapéros stehen Laien und Fachleuten offen; der Eintritt ist frei.

Media Contact

Rémy Nideröst idw

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