Wenn Beton wie Honig fließt – Ein Baustoff wartet auf architektonische Herausforderungen

Er weist eine höhere Festigkeit auf wie herkömmlicher Rüttelbeton. Er erlaubt die Realisierung ausgefallener geometrischer Formen und verfügt über eine sehr gute Verarbeitbarkeit. Er reduziert die Lärmbelästigung für die Handwerker und erlaubt eine bessere Qualitätssicherung. Die Rede ist von Selbstverdichtendem Beton (SVB). Das Institut für Bauforschung (ibac) der RWTH Aachen unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Brameshuber führte 2001 die Untersuchungen für die ersten Allgemeinen Bauaufsichtlichen Zulassungen für den neuen Baustoff durch und entwickelte ihn in Kooperation mit Unternehmen der Bauwirtschaft systematisch weiter. Inzwischen hat das Aachener Institut knapp zwei Drittel der deutschen Zulassungen erwirkt und in die Praxis eingeführt. „Wenn die Rezession in der Bauwirtschaft beendet ist und wieder mehr gebaut wird, ist auch mit einem vermehrten Einsatz von Selbstverdichtendem Beton zu rechnen“, ist Dipl.-Ing. Stephan Uebachs überzeugt, der sich am ibac mit dem Superbeton beschäftigt.

Der SVB wurde erstmals in Japan verwendet und kam über Skandinavien Mitte der 1990er Jahre nach Deutschland. Die Aachener Bauforscher nahmen sich 1999 der zä-hen Masse an. Zuerst stand Grundlagenforschung auf dem Programm: Die Fließeigen-schaften wurden in der rechnergestützten Simulation und im Laborversuch analysiert. Dann erfolgte in Abstimmung mit Bauunternehmen die Beantwortung ganz konkreter Fragen. Wie verläuft der Betoniervorgang? Wie entweicht die Luft am besten aus dem zähen Fluid? Welche Korngröße muss der SVB aufweisen? Und wie wirken sich die Hochleistungsfließmittel der dritten Generation aus, die im speziellen Verhältnis beigemischt werden? „Wir haben neue Konzepte für die Mischungszusammensetzung und Verfahrenstechniken für den Selbstverdichtenden Beton entwickelt, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Untersuchungen zu den mechanischen Eigenschaften durchgeführt, schildert Stephan Uebachs. Das Ergebnis ist ein Beton, der nicht mehr aufwendig und lautstark gerüttelt werden muss, sondern ein selbstverdichtendes Material, das wie Honig fließt und bei sorgfältiger Arbeit viele Vorzüge bei gleichen Kosten bringt.

„Der SVB ist nicht nur schöner anzuschauen, weil eine deutlich bessere Sichtbetonquali-tät erzielt wird“, argumentiert Uebachs. „Er bedarf auch einer geringeren Nachbearbeitung.“ Weitere Vorteile: Weil der Rüttelvorgang entfällt, sind die Personalkosten für den Betoniervorgang und die Belastungen für das Personal geringer. Außerdem können komplexe Bauteile in einem Arbeitsgang verwirklicht werden, ganz abgesehen von der Möglichkeit, ausgefallene Bauformen zu realisieren. Durch die erhöhte Dichtigkeit des Betons steigt auch seine Dauerhaftigkeit. „Wenn der Selbstverdichtende Beton sorgfältig ausgeführt wird, ist er – besonders bei lohnaufwendigen Aufgaben wie etwa Stützen – auch noch wirtschaftlicher als herkömmlicher Rüttelbeton. Dies alles macht ihn zu einem idealen Baustoff, dessen Potential noch längst nicht ausgeschöpft ist“, resümiert Stephan Uebachs.

Aufgrund der Rezession in der Bauwirtschaft herrscht zwar zur Zeit noch starke Zurückhaltung. Doch namhafte Architekten wie Zara Hadid oder Tadao Ando haben die Möglichkeiten des Selbstverdichtenden Betons längst erkannt; ein beeindruckendes Beispiel lieferte der Japaner Ando auf der Museumsinsel Hombroich bei Neuss ab; seine Kollegin Hadid baute jüngst in Wolfsburg mit Hilfe des SVB ein Museum auf Stelzen. Auch die Verbindungselemente der in der Öffentlichkeit stark beachteten Dachkonstruktion des Werkhofs am Aachener ibac sind aus SVB. Toni Wimmer

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

Dipl.-Ing. Stephan Uebachs
im Institut für Bauforschung (ibac)
der RWTH Aachen
Schinkelstraße 3
52062 Aachen
Telefon 0241/80-95101
Fax 0241/80-92139
Mail : uebachs@ibac.rwth-aachen.de

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Thomas von Salzen idw

Weitere Informationen:

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