Innenraumluft soll besser werden

Wissenschaftler weisen den richtigen Weg

Die Luft in Innenräumen sollte von guter Qualität sein; denn der in einer modernen Industriegesellschaft lebende und arbeitende Mensch hält sich überwiegend in Innenräumen auf. Holzlacke, Boden- und Wandbeläge, Wandfarben, Schaumstoffe und andere Bauprodukte, Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände sind auch unter (öko-)toxikologischen Aspekten immer sicherer geworden. Sie können aber durchaus noch chemische Verbindungen freisetzen, die zum Teil und unter ungünstigen raumklimatischen Bedingungen zum Problem werden können. Die Emissionen sind z.B. auf Lösemittel und Restmonomere, aber auch auf Weichmacher, Flammschutzmittel, Verarbeitungshilfsmittel und Konservierungsstoffe (Biozide) zurückzuführen, die den oben genannten Produkten zugesetzt werden, um gewünschte Eigenschaften zu erzielen. Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Bauprodukten in Innenräumen werden Fachleute am 25. Oktober 2004 im Bildungszentrum Kloster Banz vortragen und diskutieren. Die Veranstaltung wird von den Fachgruppen Bauchemie sowie Umweltchemie und Ökotoxikologie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) organisiert. Nach einer Bestandsaufnahme soll der Workshop dazu beitragen, gesundheitsbezogene Qualitätsmaßstäbe für die zukünftige Herstellung von Bauprodukten für den Innenraumbereich zu setzen und die Entwicklung besonders emissionsarmer Produkte zu unterstützen.

Die Bauchemiker, Umweltchemiker und Ökotoxikologen nehmen insbesondere die flüchtigen organischen Verbindungen (VOC, volatile organic compounds) und die schwerflüchtigen organischen Verbindungen (SVOC, semi volatile organic compounds) unter die Lupe, deren Einzel- und Summenkonzentrationen unter normalen Wohnbedingungen in einem weiten Bereich von wenigen Mikrogramm pro Kubikmeter bis zu mehreren Milligramm pro Kubikmeter schwanken und speziell während oder kurz nach Renovierungsarbeiten durchaus toxikologisch relevante Werte erreichen können. Auch in ungenügend gelüfteten Räumen reichern sich die luftfremden Stoffe an. Basierend auf toxikologischen Daten lassen sich für Einzelstoffe Konzentrationsniveaus ermitteln, unterhalb derer keine nachteiligen Wirkungen zu erwarten sind. Eine weitere Frage von Innenluftforschern gilt der Auswirkung von chemisch reaktiven Stoffen und den durch sie entstehenden sogenannten Sekundärprodukten auf die menschliche Gesundheit. Verschiedene Institutionen, z.B. das Fraunhofer Wilhelm-Klauditz-Institut in Braunschweig, haben zu den genannten Themen umfassende Untersuchungen vorgenommen.

Auf solchen und ähnlichen Studien baut die Arbeit des im Umweltbundesamt angesiedelten Ausschusses zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) auf. Der AgBB sieht es als eine seiner wichtigsten Aufgaben an, die Grundlagen für eine einheitliche gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten in Deutschland bereitzustellen. Damit werden die Forderungen erfüllt, die sich aus der EG-Bauprodukten-Richtlinie und den Landesbauordnungen ergeben, und wird eine nachvollziehbare und objektivierbare Produktbewertung möglich. Der AgBB hat Prüfkriterien erarbeitet und daraus ein Schema zur gesundheitlichen Bewertung für VOC- und SVOC-Emissionen aus innenraumrelevanten Bauprodukten entwickelt.

Die Wirkungen der VOC und SVOC können von Geruchsempfindungen und Reizungen der Schleimhäute von Augen, Nase und Rachen über Wirkungen auf das Nervensystem bis zu Langzeitwirkungen reichen. Es gibt Stoffe, denen allergisierende Eigenschaften oder cancerogenes Potential zugesprochen werden. Hilfsgrößen zur Emissionsbewertung von Bauprodukten sind die NIK-Werte (niedrigste interessierende Konzentrationen). Sie werden durch den AgBB unter Mitwirkung und in Abstimmung mit Industrieverbänden und Herstellern festgelegt und in einer Liste veröffentlicht. Die Liste umfasst aktuell 167 Stoffe, vor allem aromatische Kohlenwasserstoffe, aliphatische Kohlenwasserstoffe, Terpene, aliphatische Alkohole und Ether, aromatische Alkohole, Glykole, Glykolether, Glykolester, Aldehyde, Ketone, Lactone, Säuren und Ester.

Bauprodukte werden in Prüfkammern unter simulierten Innenraumbedingungen umfassend geprüft und bewertet. Vom Prüfergebnis hängt es ab, ob ein Bauprodukt zur Anwendung in Innenräumen empfohlen werden kann. So wurde bereits viel zur Verbesserung der Qualität der Bauprodukte und damit der Innenraumluft beigetragen. Der Workshop wird zeigen, ob und in welchen Fällen weiterer Handlungsbedarf besteht.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 26000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 24 Fachgruppen, darunter die Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie mit 950 Mitgliedern. Die Fachgruppe, gegründet 1990, will helfen, Erkenntnislücken zu schließen über Eintrag, Verteilung, Umwandlung und Verbleib von chemischen Stoffen in der Umwelt und über Einwirkungen von chemischen Stoffen (einschließlich der natürlichen) auf Menschen, Tiere, Pflanzen, niedere Lebewesen und auf Lebensräume. Umweltchemie kann nur gemeinsam mit anderen Wissensgebieten interdisziplinär betrieben werden, bei diesem Workshop gemeinsam mit den Bauchemikern. Deren GDCh-Fachgruppe besteht seit 1997 und hat sich zum Ziel gesetzt, bauchemische Kenntnisse zu bündeln, zum Informationsaustausch beizutragen und neue Impulse zu geben. Verhindert werden soll falscher Einsatz oder falsche Kombination von Baumaterialien, wodurch Folgeschäden und Kosten entstehen können.

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

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