Win-Win-Situation Arznei- und Gewürzpflanzen + Bestäuber-Insekten

Der Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen könnte mithelfen, den Rückgang bei den Insekten zu stoppen. Im Bild die Schwebfliege Episyrphus balteatus auf einer Leinblüte. Foto: Birgit Bierschenk

Was im kommerziellen Obst- und Gemüseanbau schon länger Praxis ist, will die Universität Bonn nun auch für den Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen entwickeln: ein Management-System zur gezielten Bestäubung durch Insekten.

So wie Gärtner Hummelkolonien per Versandhandel fürs Gewächshaus bestellen können, so ist Ähnliches auch beim Anbau von Fenchel, Thymian & Co. denkbar. Die Forscher erwarten höhere und womöglich auch qualitativ bessere Erträge, mehr Biodiversität und Vorteile für benachbarte Kulturen und damit für ganze Agrarökosysteme.

Das Projektteam will zudem Grundlagen-Forschung leisten und herausfinden, welche Insekten die etwa 125 in Deutschland angebauten Arznei- und Gewürzkräuter-Arten bestäuben und wie wichtig sie für diese Aufgabe sind. Hierzu gibt es bislang nur wenige Erkenntnisse.

Dass Insekten grundsätzlich von den Kräutern profitieren, ist dabei so gut wie sicher. Denn auf dem Acker dominieren heute – mit Ausnahme des Raps – Kulturen, deren Blüten für nektar- und pollensuchende Insekten uninteressant sind.

Tierökologe Andreé Hamm von der Universität Bonn: „In diesem Projekt wollen wir nicht mit aus Zuchten stammenden Hummelvölkern oder ausschließlich mit Honigbienen arbeiten, sondern vor allem auch mit ehemals einheimischen Arten, die wir fördern bzw. wieder ansiedeln. Dadurch können wir eine Faunenverfälschung auch auf genetischer Ebene ausschließen.“

Projektleiter Ralf Pude ergänzt: „Wir planen zudem einen Vergleich mit geförderten, klassischen Agrarumweltmaßnahmen wie Blühstreifen. Eventuell haben Arznei- und Gewürzpflanzen sogar höhere Effekte in punkto Artenvielfalt, gleichzeitig bringen sie aber noch einen wirtschaftlichen Ertrag.“

Die Insekten könnten diesen womöglich deutlich steigern: Aus Untersuchungen ist bekannt, dass sich Insektenbestäubung positiv auf den Ertrag und die Qualität von Obst- und Gemüsekulturen auswirkt. Erste Untersuchungsergebnisse zeigen eine solche Tendenz auch für Arzneipflanzen wie Fenchel und Lein auf.

Das jetzt begonnene Projekt wird vom Forschungsbereich Nachwachsende Rohstoffe/Arzneipflanzen und der Professur für Agrarökologie und Organischen Landbau der Universität Bonn durchgeführt. Die Forscher erfassen über drei Jahre das Spektrum der Blütenbesucher und -bestäuber auf den Versuchskulturen Fenchel, Lein und Bohnenkraut.

Bei diesen drei Arten findet Saatgutvermehrung in Deutschland statt und alle zeichnen sich bislang durch stark schwankende Erträge aus. Die Forscher untersuchen den Einfluss der Insektenbestäubung auf die Erntemengen und -qualitäten, die Möglichkeit, die fliegenden Helfer gezielt zu fördern und ihre Effekte auf benachbarte Kulturen und großräumigere Agrarökosysteme. Die Gesamtergebnisse sollen in Praxisanleitungen und möglichst auch in Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität einfließen.

Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Weitere Informationen stehen auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22001116 zur Verfügung.

Hintergrund:
Nur etwa 15 Prozent der in Deutschland benötigten pflanzlichen Rohstoffe für die pharmazeutische, kosmetische und Nahrungsergänzungsmittelindustrie kommen heute aus der deutschen Landwirtschaft. Das Potenzial liegt deutlich höher, denn das Interesse der Weiterverarbeiter an zusätzlicher Ware aus Deutschland ist vorhanden. Aktuell werden hierzulande etwa 125 Arten auf rund 12.000 Hektar kultiviert. Für eine Ausweitung des Anbaus gilt es, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen und die Erträge zu stabilisieren und zu steigern. Hier setzt das Projekt der Uni Bonn an.

Dass Insektenbestäubung neben dem quantitativen Ertrag auch Merkmale wie Fruchtgewicht, -gestalt, Zucker-Säure-Verhältnis oder Lagerfähigkeit bei Obst und Gemüse positiv beeinflusst, ist bekannt. Gartenbaubetriebe setzen deshalb schon lange gezielt Hummeln ein. Im Obstanbau spielt die Honigbiene mit ca. 80 Prozent der Betäubungsarbeit noch immer die Hauptrolle, mit dem Rückgang der Imkerei nutzen aber auch Obstbauern zunehmend Alternativen. So kann man heute schon Wildbienen als Obstbestäuber bei speziellen Anbietern beziehen. Nicht zuletzt ist die Insekten-Dienstleistung auch in der Saatgutvermehrung etwa von Gemüse- oder Futterpflanzen sehr wichtig.

https://www.fnr.de/
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22001116
https://www.nabu.de/news/2017/10/23291.html

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Dr. Torsten Gabriel idw - Informationsdienst Wissenschaft

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