Stärkung der osteuropäischen Agrarproduktion als Schlüssel für die weltweite Ernährungssicherung

Russland und die Ukraine gehören auf den internationalen Märkten zu den größten Getreideexporteuren. Zugleich verfügen beide Länder aufgrund brachgefallener landwirtschaftlicher Flächen und bislang geringer Flächenproduktivität über erhebliche Potenziale zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion.

Sollte es Russland und der Ukraine gelingen, die besonderen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen sowie geeignete agrarpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, könnten diese Länder mittel- bis langfristig einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten.

Die Entwicklungsmöglichkeiten und Risiken in der Agrarproduktion Osteuropas wurden anhand dieser Länder auf einem Fachpodium mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert. Die Veranstaltung mit dem Titel „Osteuropa als Schlüsselregion zur Bewältigung der Herausforderungen der Ernährungssicherung“ wurde im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) am 17. Januar 2014 vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) gemeinsam mit dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ausgerichtet.

Dr. Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, wies in seiner Eröffnungsansprache auf die erheblichen Ertragspotenziale in Russland und der Ukraine zur weltweiten Ernährungssicherung hin. Anschließend erörterte Dr. Dietrich Guth, Abteilungsleiter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, dass Investitionen in moderne Technologien, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sowie Rechtssicherheit und Transparenz wichtige Faktoren zur landwirtschaftlichen Produktionssteigerung darstellen. Ein Ausbau der bestehenden bilateralen Kooperation von Russland und der Ukraine mit Deutschland sowie die Annährung an politische Grundwerte der EU würden einen wesentlichen Teil zur Stärkung des Agrarsektors in diesen Ländern beitragen.

Entwicklungspotenzial in der Steigerung der Flächenproduktivität

Im Rahmen der thematischen Einführung stellte IAMO-Direktor Professor Alfons Balmann dar, dass die weltweit steigende Nachfrage nach Agrarprodukten auf das Bevölkerungswachstum, den zunehmenden Konsum veredelter Produkte wie Fleisch und Milch sowie nachwachsende Energien und Rohstoffe zurückzuführen ist. Um die Produktion von Agrarerzeugnissen zu steigern und damit den wachsenden Bedarf zu befriedigen, können landwirtschaftlich genutzte Flächen erweitert oder die Produktion auf den bestehenden Flächen intensiviert werden. Beide Strategien beinhalten unterschiedliche Potenziale, aber auch Umweltrisiken und soziale Auswirkungen. Balmann sieht aufgrund aktueller Forschungsstudien am IAMO das eigentliche Potenzial in der Steigerung der Produktivität. Alleine eine 80-prozentige Ausschöpfung der Ertragspotenziale bei verbesserter Nutzung moderner Technologien und Produktionsmittel würde erlauben, die Weizenproduktion um durchschnittlich 50 Prozent zu steigern. Eine entsprechende betriebliche Intensivierung und Modernisierung setzt jedoch den Abbau von Export- und Importbeschränkungen und damit verlässliche politische Rahmenbedingungen, die Verbesserung der Infrastruktur, Ausbildung und Forschung sowie nicht zuletzt der Lebensbedingungen im ländlichen Raum voraus.

Stärkere Anpassung der ukrainischen Landwirtschaft an EU-Standards

Auf dem Fachpodium erläuterte Oleksandr Sen, Vizeminister für Agrarpolitik der Ukraine, die agrarpolitischen Strategien und Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, einen Beitrag zur globalen Ernährungssicherung zu leisten. In der Ukraine arbeitet der Agrarsektor unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, da derzeit wie auch zukünftig keine staatlichen Subventionen vorgesehen sind. Dr. Alex Lissitsa, CEO der Industrial Milk Company in Kiew, kritisierte die wenig verlässliche Agrarpolitik im Land. Als Agrarunternehmer sieht er die Hauptprobleme für eine nachhaltige Entwicklung des Sektors insbesondere in den Bereichen der Finanzierung und des erschwerten Kreditzugangs sowie der unklaren Regelungen zur Mehrwertsteuer und allgemein mangelnden Rechtssicherheit von Transaktionen. Ebenso sei die ausstehende Liberalisierung des Bodenmarktes ein wesentliches Entwicklungshemmnis für die ukrainische Landwirtschaft. Vizeminister Sen betonte die Notwendigkeit, die Qualität der Produktion insbesondere bei den Haushalten und Kleinstproduzenten zu verbessern. Die umfassende Etablierung von Standards und deren Harmonisierung mit denen der Exportzielländer benannte der Vizeminister dabei als wesentliches Ziel.

Erhebliche Herausforderungen für kleinere Agrarbetriebe in Russland

Russland ist sich seiner Potenziale zur weltweiten Lebensmittelversorgung und damit der Stellung als Global Player bewusst. Die vielfältigen Ressourcen und günstigen ökologischen Bedingungen des Landes können nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund der politischen Veränderungen in den 1990er-Jahren ein Großteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen brachgefallen ist. In seiner Rede bestätigte Aleksandr Petrikov, Vizeminister für Landwirtschaft der Russischen Föderation, dass in Russland erst seit 2006 kein weiterer Rückgang der bestellten Ackerflächen zu verzeichnen ist. Petrikov erläuterte, dass die Verbesserung des Investitionsklimas, die Anpassung der Agrarproduzenten an meteorologische und wirtschaftliche Verhältnisse sowie die Verbesserung des Zugangs zu nationalen und internationalen Agrar- und Lebensmittelmärkten die Kernpunkte der russischen Agrarpolitik sind, um so das wirtschaftliche Wachstum in der Landwirtschaft zu fördern. Stefan Dürr, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe EkoNiva, schätzte die Rahmenbedingungen in der russischen Landwirtschaft aus betrieblicher Perspektive als sehr gut und für einen Unternehmer sogar besser als in der EU ein. Für Großbetriebe und Agroholdings bestünden die wesentlichen Herausforderungen in Russland im Bereich des innerbetrieblichen Managements und der Standardisierung der unternehmensinternen Prozesse. Kleinere Betriebe und selbst Betriebe mit einigen Tausend Hektar stehen nach Dürrs Einschätzung dagegen vor großen Herausforderungen, was den Zugang zu Finanzierungsquellen und Märkten, der Ausbildung von Fachkräften sowie Überwindung des generell hohen bürokratischen Aufwands betrifft.

Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

Bitte beachten Sie: Im Januar 2014 wurde das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa in Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien umbenannt. Die Institutsabkürzung IAMO bleibt weiterhin gültig.

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Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ist als gemeinsames Organ der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zentraler Ansprechpartner deutscher Unternehmen für die Märkte Russland, Belarus, Ukraine, Zentralasien, Süd-Kaukasus und Südosteuropa. Er begleitet wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in den bilateralen Beziehungen mit diesen Ländern und fördert Handel, Investitionen und Dienstleistungstransfers deutscher Unternehmen in der Region. Mit der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft bündelt der Ost-Ausschuss als einzige Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft seit 2001 das internationale Engagement der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft und engagiert sich als Träger des GFFA Berlin e.V.
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