Risiko durch Stickstoffverschmutzung könnte halbiert werden

Chemische Verbindungen, die so genannten reaktiven Stickstoff enthalten, sind Treiber der weltweiten Verschmutzung von Luft und Wasser – und damit von Krankheiten wie Asthma oder Krebs. Wenn nichts dagegen getan wird, könnte die Stickstoffbelastung in einem mittleren Szenario um 20 Prozent bis 2050 steigen, so zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Mit einem ehrgeizigen Maßnahmenpaket hingegen ließe sich die Belastung um 50 Prozent verringern. Dies ließ sich in der nun vorliegenden Studie erstmals quantitativ zeigen.

„Stickstoff ist für Pflanzen ein unersetzlicher Nährstoff und deshalb ein wahrer Lebensretter – er hilft der Landwirtschaft, eine wachsende Weltbevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen“, sagt Benjamin Bodirsky, Leit-Autor der Studie. „Aber er ist auch ein Umweltrisiko.“ In den verschiedenen Formen, die er durch chemische Reaktionen annehmen kann, trägt er massiv zur Feinstaubbelastung bei. Er unterstützt die Bildung bodennahen Ozons, das die Atemwege reizt, und lässt Gewässer ökologisch umkippen.

Die Schäden allein in Europa werden auf ein bis vier Prozent der Wirtschaftsleistung geschätzt, das sind viele Milliarden Euro. Etwa die Hälfte dieser Stickstoffbelastung kommt aus der Landwirtschaft. Deshalb haben die Wissenschaftler umfassende Computersimulationen laufen lassen, in denen die Wirkung verschiedener Maßnahmen zur Verringerung der Belastung geprüft wurde.

***Sowohl Bauern als auch Verbraucher müssten etwas tun***

„Es wurde klar, dass sich die Lage durch die weltweit stark steigende Nahrungsmittelnachfrage deutlich verschlechtern wird“, erklärt Bodirsky, der auch am Internationalen Zentrum für Tropische Landwirtschaft (CIAT) in Kolumbien arbeitet. „Ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket könnte diesen Trend umdrehen, doch selbst dann besteht ein Risiko, dass die Restbelastung oberhalb von sicheren Grenzwerten bleibt.“

Nur wenn sich sowohl in der Nahrungserzeugung als auch im Konsum etwas ändert, können die Risiken deutlich reduziert werden, so die Studie. Jede zweite auf den Felder ausgebrachte Tonne Stickstoff wird derzeit nicht von den Pflanzen aufgenommen, sondern vom Regen ausgewaschen, von Kleinstlebewesen zersetzt oder vom Wind weggeweht.

Um diese Verluste – und damit auch die Umweltbelastung – zu verringern, sollten Bauern die Düngung zielgenauer an den Bedarf der Pflanzen anpassen, etwa durch regelmäßige Messung der Bodenwerte. Zudem sollten sie den Dung von Tieren besser für die Düngung einsetzen und damit den Nährstoff-Kreislauf schließen. „Die Kosten zur Verringerung der Stickstoffbelastung sind im Moment sehr viel geringer als die Kosten der durch die Überdüngung verursachten Schäden“, sagt Ko-Autor Alexander Popp.

„Verbraucher in den entwickelten Ländern könnten das Wegwerfen von Lebensmitteln halbieren, ebenso den Fleischkonsum und den damit verbundenen Anbau von Viehfutter – das würde ihrer Gesundheit ebenso nützen wie ihrem Geldbeutel“, so Popp. „Dies alles würde unter dem Strich die Ressourcen-Effizienz in der Nahrungserzeugung deutlich erhöhen, und die Umweltbelastung verringern.“

***„Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind größer als die auf das Klima“***

„Der Stickstoff-Zyklus ist eng verwoben mit unserem Klimasystem“, sagt Hermann Lotze-Campen, Ko-Autor der Studie und Leiter des PIK-Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität. Distickstoffoxid, Lachgas genannt, ist einerseits eines der wichtigsten Treibhausgase. Andererseits führt der in der Luft schwebende stickstoffhaltige Feinstaub dazu, dass die Sonneneinstrahlung etwas abgeschirmt wird, was eine kühlende Wirkung hat. Und als Nährstoff verstärkt Stickstoff das Wachstum von Wäldern, was das Treibhausgas CO2 bindet.

„Derzeit sind die Auswirkungen der Stickstoffbelastung auf die Gesundheit ganz klar wichtiger, weil die Auswirkungen auf das Klima sich großteils gegenseitig aufheben,“ so Lotze-Campen. „Dies aber könnte sich ändern. Deshalb hätte eine Verringerung der Stickstoffbelastung den doppelten Vorteil, heute unserer Gesundheit zu helfen und in der Zukunft Klimarisiken zu vermeiden.“

Artikel: Bodirsky, B.L., Popp, A., Lotze-Campen, H., Dietrich, J.P., Rolinski, S., Weindl, I., Schmitz, C., Müller, C., Bonsch, M., Humpenöder, F., Biewald, A., Stevanovic, M. (2014): Reactive nitrogen requirements to feed the world in 2050 and potentials to mitigate nitrogen pollution. Nature Communications [DOI: 10.1038/ncomms4858]

Weblink zu Nature Communications, wo der Artikel im Laufe des kommenden Dienstags veröffentlicht wird: http://www.nature.com/naturecommunications

Kontakt für weitere Informationen:
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Pressestelle
Telefon: +49 (0)331 288 2507
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Jonas Viering PIK Potsdam

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