Rind- und Schaffleischproduktion muss produktiver werden

Steigende Nachfrage, steigende Fleischpreise und Produktionskosten sowie Landknappheit erfordern weitere Produktivitätssteigerungen in der Rind- und Schaffleischproduktion, wenn die Produktion gleichbleiben oder sogar steigen soll. Dies sagen die Teilnehmer der zehnten agri benchmark Beef and Sheep Conference, die Ende Juni in Südafrika stattfand. In dem globalen agri-benchmark-Netzwerk haben sich Agrarökonomen aus mehr als 25 Mitgliedstaaten zusammengeschlossen.

Der internationale Vergleich von Produktionssystemen und ihrer Wirtschaftlichkeit bildet die Kernkompetenz des Netzwerks. Die diesjährigen Diskussionen standen im Zeichen zunehmender Preisschwankungen für Futtermittel und andere Betriebsmittel. Mutterkuhbetriebe, deren Futtergrundlage weitgehend Weide und nur in geringem Umfang zugekaufte Futtermittel bildet, haben den jüngsten Anstieg der Futterkosten relativ gut absorbiert. Ihre Rentabilität wird im Vergleich zu Mastbetrieben kurzfristig eher von den Absetzerpreisen als von den Kosten bestimmt. In der Rindermast konnten in den meisten untersuchten Betrieben im Jahr 2011 die Kostensteigerungen von Futtermitteln, Pachten und Arbeit zumindest teilweise durch Preissteigerungen bei Rindfleisch kompensiert werden. Dies trifft nicht für die Feedlots in den USA zu, wo die hohen Futtermittelpreise mit historisch hohen Preisen für Kälber zusammentrafen. Das Resultat war ein weiteres in einer Reihe von Verlustjahren, was auf hohe Konkurrenz und Überkapazitäten bei gleichzeitig geringen Rinderbeständen hinweist.

Asien und Afrika werden das globale Bevölkerungswachstum in den nächsten 35 Jahren anführen. Das Bevölkerungswachstum sowie steigende Pro-Kopf-Einkommen werden voraussichtlich zu weiter steigender Fleischnachrage führen. In den Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien stellen Überweidung, informelle Märkte und ihre Folgen für Fleischqualität und -sicherheit große Herausforderungen dar. Auf der anderen Seite schafft die Kostenstruktur der Kleinbetriebe eine relativ hohe Flexibilität zur Anpassung an Preisschwankungen von Betriebsmitteln. Das Finden einer Balance zwischen nachhaltigem Viehbesatz, Leistungen des Einzeltiers und Einkommensbedarf ist der Schlüssel zum Wachstum in diesen Betrieben. Angesichts der Nähe von Wild- und Nutztieren im südlichen Afrika wird es dort voraussichtlich schwierig sein, die Probleme mit Maul- und Klauenseuche anderer Tierkrankheiten zu beheben. Dies verringert die Chancen für den Aufbau einer exportorientierten Fleischwirtschaft.

Asien und Russland sind die führenden Importeure von Rindfleisch. Gleichzeitig haben Russland, die Ukraine und Kasachstan Förderprogramme aufgelegt, um die Produktion von Rindfleisch und anderer Produkte (z. B. Milch) zu erhöhen. Unter anderem gehören Großbetriebe und Holdings zu den Profiteuren dieser Politik. In der EU wird eine stabile bis leicht sinkende Produktion erwartet, wobei die Umsetzung der Agrarreform im Jahr 2014 und die Abschaffung der Milchquote im Jahr 2015 Unsicherheitsfaktoren darstellen.

Die Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche ist in einigen Ländern eine mittel- bis langfristige Option zur Steigerung der Rindfleischproduktion, setzt aber politische Stabilität, Investitionen und ausreichend hohe Preise zu deren Rechtfertigung voraus. Weiterhin ist es fraglich, ob neue Flächen überhaupt für die Rindermast genutzt würden. Das Schließen der Produktivitätslücke zwischen Ländern sowie zwischen den Produzenten innerhalb eines Landes ist daher der wichtigste Ansatz zur Produktionssteigerung. Die Potenziale sind dort besonders hoch, wo die Ausgangsbasis niedrig ist, wie beispielsweise in Kleinbetrieben in Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch in größeren Betrieben in Brasilien und Argentinien. In den Ländern, in denen Kälber knapp werden (z. B. in Südafrika), ist die Steigerung der Kälberzahl oberstes Ziel. Um die Produktivität zu steigern sehen die agri-benchmark-Experten zwei Hauptwege: zum einen die Verbesserung von Weideproduktivität und -management, zum anderen die Endmast mit energiereichen Rationen in den letzten 90-150 Tagen anstelle der Endmast auf der Weide. Es ist zu erwarten, dass kurz- bis mittelfristig Marktsignale für Produktivitätssteigerungen sorgen werden. Diese können jedoch auch unerwünschte Nebeneffekte wie Überweidung, Wasserverschmutzung und Probleme mit dem Tierwohl haben. Aus- und Fortbildung, Beratung sowie Begleitung von Produzenten sind dabei Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Sie müssen aber eingebunden sein in eine Strategie, die im besten Fall von allen relevanten Gruppen der Wertschöpfungskette erarbeitet wird. Politikmaßnahmen zu Landkauf und -bewirtschaftung können derartige Entwicklungen fördern oder hemmen.

Ein Workshop mit der Überschrift ‚Die Rückkehr der Schafhaltung‘ versuchte die Frage zu beantworten, ob die jüngsten Preissteigerungen bei Lamm- und Schaffleisch zu einer Ausweitung der Schafhaltung führen wird. Die Antwort ist ein vorsichtiges und differenziertes ‚Ja‘. Die Nachfrage in Asien und dem mittleren Osten schafft günstige Absatzvoraussetzungen für rentable Schafproduktion. Das Potenzial wird hauptsächlich in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in Australien gesehen, wo sich in einigen Regionen bereits die Schafhaltung auf Kosten der Rinderhaltung ausgedehnt hat. In den Entwicklungs- und Schwellenländern müssen Problem wie Überweidung, Versteppung, Produktivität und Fleischqualität überwunden werden. Da diese Länder von einem niedrigen Niveau ausgehen, erscheint eine Steigerung von Produktivität bereits mit relativ geringem Aufwand realisierbar, sofern die Preisverhältnisse dies zulassen. In einigen Fällen sind auch strukturelle Änderungen in der Wertschöpfungskette erforderlich, um unrealistisch hohe Verbraucher-Erzeugerpreisrelationen zu verringern. Mit einem Anstieg von 78% des erzeugten Gewichts je Mutterschaf in den letzten 20 Jahren gibt Neuseeland ein Beispiel für die Produktivitätssteigerung, mit der der Rückgang des Schafbestandes kompensiert wurde.

Bei der öffentlichen Abschlussveranstaltung der Konferenz in Pretoria waren 120 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Forschung und NRO anwesend und diskutierten eine Bandbreite von internationalen und lokalen Themen. In Ergänzung zu den obigen Aspekten hoben die Teilnehmer die Bedeutung der Nachhaltigkeit hervor, die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen durch die Politik (anstelle von Dauersubventionen), den Einfluss der heimischen Nachfrage in Brasilien auf Preisniveau und Exporte, die Besonderheiten der Märkte in Schwellenländern und die alte, aber wahre Aussage, dass letztlich die Verbraucher die Richtung bestimmen, in die sich die Fleischproduktion bewegt.

Kontakt:
Dr. Claus Deblitz
Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, Braunschweig
Fon: 0531 590-5141
Mail: claus.deblitz@vti.bund.de

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