Plädoyer für die Küstentanne

Abies grandis heißt sie mit botanischem Namen, auf deutsch Große Küstentanne. Und groß ist tatsächlich fast alles an ihr. Die Nadeln sind so lang und dicht, dass sie in ihren ersten Jahren gern als Weihnachtsbaum genutzt wird.

Entgeht sie diesem Schicksal, legt sie jährlich 18 bis 24 Festmeter Holz pro Hektar zu – mehr als doppelt so viel wie die Kiefer unter vergleichbaren Bedingungen und rund fünfzig Prozent mehr als die Fichte.

Diese Wuchsleistung und die Tatsache, dass die Küstentanne hierzulande mit Trockenheit besser zurecht kommt als die meisten anderen Baumarten, führen zu der Frage: Könnten die Tannen aus Amerika eine Alternative zur bislang eingesetzten Fichte werden, der die prognostizierten trockenen Sommer voraussichtlich auf vielen Standorten schwer zu schaffen machen?

Für die Forstwissenschaftler aus dem Forschungsverbund „Buche-Küstentanne“ liegt dieses Potenzial inzwischen deutlich auf der Hand – und dies umso mehr, als Abies grandis mit weiteren günstigen Eigenschaften aufwartet. Anbauversuche belegen, dass sich die anspruchslose, anpassungsfähige und anfangs schattenverträgliche Küstentanne gut mit heimischen Baumarten wie der Buche mischen lässt und den Ökosystemen zuträglich ist: Ihre Nadelstreu ist gut zersetzbar, sie verjüngt sich natürlich ohne andere zu verdrängen, nutzt die Standorte effektiv, ohne sie zu übernutzen, und erweist sich als wenig anfällig gegen Krankheiten oder Sturm.

Für die Forstwirtschaft wiederum ist ihre hohe Wuchskraft besonders interessant. Schon nach etwa 40 Jahren erreichen Küstentannen einen Stammdurchmesser von rund 50 Zentimeter – Fichten brauchen 30 bis 40 Jahre länger. Ein solches Leistungspotenzial bietet zum einen Möglichkeiten der energetischen Verwertung. Vor allem jedoch eignet sich Küstentanne als ausgezeichneter Werkstoff für Bau- und Konstruktionsholz.

Lange Zeit wurde genau dies angezweifelt, galt doch das Holz der Küstentanne als zu weich, zu weitlumig und gar als stinkend. Doch die Göttinger Wissenschaftler und Ihre Partner aus Forstverwaltung und Forstwirtschaft haben gezeigt, dass die Vorbehalte der Holzindustrie unbegründet sind. Mittels spezifischer waldbaulicher Maßnahmen lassen sich die Eigenschaften des Holzes leicht beeinflussen. So eignet sich das Holz freistehender Küstentannen mit extrem breiten Jahressringen tatsächlich vornehmlich für die Herstellung von Papier. Doch auf armen Standorten oder in relativ dichten Beständen, wo die einzelnen Stämme nicht zu stark werden, wächst auch gutes Bauholz.

Ebenso vorzüglich eignet sich das Holz der Küstentanne für die Herstellung von Holzwerkstoffen. Im Technikum der Forstlichen Fakultät der Universität Göttingen können Faserplatten, Spanplatten und Dämmstoffe unter nahezu industriellen Bedingungen geprüft werden. Entwickelt wurden beispielsweise Faserplatten, bei denen die Buchenfasern in der Mitte der Platten verpackt sind, zwischen dünnen Deckschichten aus den langen Fasern der Küstentanne. So entsteht aus dem Durchforstungsholz der Buche-Küstentanne-Mischwälder ein Produkt mit einer gleichmäßig hellen und festen Oberfläche, das für viele Zwecke taugt.

Im Ergebnis ihrer Untersuchungen plädieren die Forscher des Verbundes „Buche-Küstentanne“ entschieden für die Förderung der der nordamerikanischen Baumart. Ermöglicht sie doch offenbar eine Art Quadratur des Kreises: Den Anbau einer schnell wachsenden Baumart zwischen einheimischen Arten in ästhetisch ansprechenden, naturnahen Wäldern, die nach dem bisherigen Stand des Wissens sogar gegen den bevorstehenden Klimawandel besser gewappnet sind als viele andere.

Der Forschungsverbund „Buche-Küstentanne – Verwertungsorientierte Untersuchungen an Buche und Küstentanne aus nachhaltig bewirtschafteten Mischbeständen zur Herstellung innovativer zukunftsfähiger Holzprodukte und Holzwerkstoffe“ ist eines von 25 Verbundprojekten, die zum Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gehören. Das BMBF finanziert den Förderschwerpunkt im Zeitraum 2005 bis 2010 mit rund 30 Millionen Euro. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) ist die wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung des Forschungsvorhabens angesiedelt. Aufgabe des Koordinierungsbüros ist es, auf nationaler und europäischer Ebene ein Netzwerk für Wissenschaft und Praxis zu schaffen. Der Förderschwerpunkt widmet sich vor allem drei Fragestellungen: Wie kann die Wertschöpfungskette Forst-Holz sowohl gewinnorientiert als auch ökologisch verträglich und sozial gerecht optimiert werden? Wie können Waldlandschaften so genutzt werden, dass die Lebensqualität der Menschen verbessert wird und gleichzeitig die Ressourcen langfristig gewährleistet sind? Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Weitere Informationen:
Daniela Weber
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1791
E-mail: daniela.weber@ufz.de
Dr. Peter Hawighorst
Institut für Forstbotanik
Georg-August-Universität Göttingen, Büsgenweg 2, 37007 Göttingen
Tel. 0551-39-14 616
E-mail: phawigh@gwdg.de
oder über:
Tilo Arnhold
Pressestelle Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1635
E-mail: presse@ufz.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

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