Noch Luft nach oben – Die ökologische Landwirtschaft ist deutlich leistungsfähiger als bisher angenommen

Eine intensive Landwirtschaft liefert hohe Erträge. Ziel muss es jedoch sein, den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, um die Umwelt nicht zu belasten. Bildquelle: © Orientaly/iStock/Thinkstock

Nach aktuellen Studien der Welternährungs- und Agrarorganisation der Vereinten Nationen, der FAO, leiden etwa 805 Millionen Menschen an akuter Unterernährung. Zudem wird erwartet, dass der Bedarf an Nahrungsmitteln innerhalb der nächsten 50 Jahre weiter steigen wird.

Da ist es an der Zeit, Antworten auf die Frage zu suchen, wie genug Lebensmittel produziert werden können, ohne dass die natürlichen Ressourcen noch stärker belastet werden. Eine Möglichkeit liegt in der Entwicklung von nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktionssystemen.

Ansätze dazu bietet die ökologische Landwirtschaft, sie gilt allerdings im Vergleich mit der konventionellen Landwirtschaft immer noch als vergleichsweise unproduktiv. Aber ist das wirklich so? In einer neuen Metastudie gingen Wissenschaftler jetzt dieser Frage nach.

Nachhaltige Nahrungsmittelproduktion gesucht

Ein Problem der bisherigen Produktionssysteme liegt in der starken Belastung der Umwelt durch Düngereinsatz, Treibhausgas-Freisetzungen und Monokulturen. Um die Produktivität der Böden auch in ferner Zukunft zu erhalten, müssen nachhaltige Produktionssysteme entwickelt werden, die sowohl die entsprechenden Erntemengen erbringen als auch die Umwelt schonen, so dass sie auch für zukünftige Generationen noch nutzbar ist. Die ökologischer Landwirtschaft bietet hierfür entsprechende Möglichkeiten. Bisher stand sie allerdings im Schatten der konventionellen Anbaumethoden, da sie als nicht so leistungsfähig galt.

Um diese Aussage zu überprüfen, werteten die Forscher für ihre Metastudie 115 Studien mit insgesamt 1071 Vergleichen von ökologischen und konventionellen Anbaumethoden aus 38 Ländern und mit 52 verschiedenen Feldfrüchten über einen Zeitraum von 35 Jahren aus. Ihr untersuchter Datensatz war damit dreimal größer als bei jeder zuvor veröffentlichten Studie zu diesem Thema. Zudem nahmen sie nur Studien auf, die Anbaumethoden auf vergleichbar hohem Technologie- und Wissensstand verwendet hatten.

Da geht noch was

Die Berechnungen der Forscher zeigten, dass die Ernteerträge der ökologischen Landwirtschaft im Schnitt um 19,2 Prozent niedriger lagen, ein Ergebnis, dass einen deutlich geringeren Abstand zeigt, als es in bisherigen Studien errechnet wurde. Zugleich stellten die Forscher fest, dass bisherige Studien oft zugunsten der konventionellen Landwirtschaft verzerrt waren. Es wurden zum Beispiel Hochleistungssorten für die Vergleichsstudien verwendet, die nur bei entsprechendem Düngeraufwand gute Erträge bringen und unter ökologischen Bedingungen dementsprechend nachlassen.

Zusätzlich konnten die Forscher feststellen, dass bestimmte ökologische Anbaupraktiken wie eine erweiterte Fruchtfolge oder der Anbau in Mischkultur (Anbau von mehreren Nutzpflanzen auf einem Acker zur gleichen Zeit) die Erträge in der ökologischen Landwirtschaft nochmals anheben können, so dass der Abstand bei den Erträgen zwischen konventioneller und organischer Landwirtschaft nur noch neun Prozent (bei Mischkultur) bzw. acht Prozent (bei erweiterter Fruchtfolge) beträgt.

Die Öko-Landwirtschaft aufwerten

Die Lücke zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft ist nach diesen Ergebnissen also kleiner als gedacht. Mit anderen Worten: die ökologische Landwirtschaft ist damit leistungsfähiger als bisher angenommen. Daher sollte sie auch verstärkt in die Entwicklung von Produktionssystemen eingebunden werden, fordern die Wissenschaftler. Vor allem im Punkt der Nachhaltigkeit ist die ökologische Landwirtschaft im Vorteil. Auf ökologischen Prinzipien entwickelte Anbaumethoden können dazu beitragen, den Nahrungsmittelbedarf zu decken und „nebenbei“ die bereits existierenden Umwelt-Probleme nicht weiter zu verschärfen. Denn eine Landwirtschaft, die auf Kosten der Umwelt produziert, muss über kurz oder lang in eine Sackgasse führen, betonen die Forscher. Von solchen Methoden könnten auch Bauern in den Entwicklungsländern, die den größten Teil der von Hunger bedrohten Menschen ausmachen, profitieren, wenn sie auf geringer Kostenbasis und umweltschonend ihre Erträge erhöhen können.

Die Forscher weisen darauf hin, dass Forschung zum Thema ökologische Landwirtschaft trotzdem bisher nur wenig gefördert wurde. Bisher wurden beispielsweise viele Sorten entwickelt, die unter konventionellen Bedingungen hohe Erträge liefern, aber nur wenig Sorten, die unter ökologischen Anbauregimes gute und stabile Erträge garantieren. Die Forscher fordern daher eine verstärkte Förderung der Erforschung und Verbesserung von ökologischen Anbaumethoden, um die Ertragslücke weiter zu schließen.

Letztlich geht es den Wissenschaftlern nicht darum, eine Konkurrenz zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft zu forcieren. Vielmehr sollte sie einfach mehr Beachtung bekommen als bisher und nicht als Sonderweg der wohlhabenden Länder verstanden werden. In einer verbesserten ökologischen Landwirtschaft liegt nach Meinung der Forscher eine gute Chance, die Probleme von Nahrungsmittelknappheit und Ressourcenzerstörung in den Griff zu bekommen.

Quelle:
Ponisio, L. C. et al. (2014): Diversification practices reduce organic to conventional yield gap. In: Proceedings of the Royal Society B, (10. Dezember 2014), DOI: 10.1098/rspb.2014.1396.

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