Erstmals Studie zu Hai- und Rochenarten in deutschen Meeren

Jungtier eines Kleingefleckten Katzenhais, der einzigen derzeit ungefährdeten Knorpelfischart in deutschen Gewässern © UHH/CeNak, Ralf Thiel

● Hamburger Forscherteam analysiert im BfN-Auftrag Vorkommen und Gefährdung
● Regulierung der Fischerei in deutschen Natura 2000-Gebieten unverzichtbar

Eine neue Studie gibt erstmals umfassend Aufschluss über Vorkommen und Gefährdung von Haien, Rochen und Chimären in der deutschen Nord- und Ostsee: Zehn Arten gelten als etabliert, jedoch nur eine einzige Art, der Kleingefleckte Katzenhai, gilt derzeit als ungefährdet. Die Situation der Knorpelfischarten in den deutschen Meeren hatten Forscher der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Abteilung Meeresnaturschutz, untersucht.

„Erstmalig haben Forscher in Deutschland für einen Zeitraum von 390 Jahren von 1625 bis 2015 solche umfangreichen historischen und aktuellen Daten über diese Arten zusammen-getragen und in einer Gesamtschau ausgewertet“, sagt BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel.

„So gelang es, Vorkommen, Etablierungsstatus, Gefährdungssituation und Schutzmöglichkeiten der Knorpelfische in den deutschen Meeresgebieten fundiert einzuschätzen“, erklärt Prof. Dr. Ralf Thiel vom Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg. Im Rahmen der Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 27.500 Nachweise von 19 Knorpelfischarten für die deutschen Meeresgebiete von Nord- und Ostsee analysiert.

Zehn Arten stufte das Forscherteam als etabliert in den deutschen Meeren ein. Dies sind Hundshai, Weißgefleckter Glatthai, Kleingefleckter Katzenhai, Dornhai, Sternrochen, Kuckucksrochen, Nagelrochen, Fleckrochen, Gewöhnlicher Stechrochen sowie der Glattrochen-Artkomplex.

Eine Chimärenart, drei Rochen- und fünf Haiarten kommen darüber hinaus derzeit unregelmäßig in deutschen Gewässern vor. Dazu gehören auch die als Durchzügler anzusehenden Riesenhaie, die beispielsweise 2015 und 2016 im Gebiet der Doggerbank und in der Nähe des Sylter Außenriffs im Rahmen verschiedener Schiffs- und Flugsurveys gesichtet wurden.

Jedoch ist die Gefährdungssituation der meisten Knorpelfischarten in den deutschen Meeresgebieten alarmierend: Der Gewöhnliche Stechrochen und der Glattrochen sind in deutschen Gewässern ausgestorben bzw. verschollen. Nagelrochen und Dornhai sind vom Aus-sterben bedroht, Hundshai und Sternrochen sind stark gefährdet bzw. gefährdet, Kuckucks- und Fleckrochen gelten als extrem selten. Aufgrund unzureichender Datenlage konnte für den Weißgefleckten Glatthai keine Gefährdungsanalyse durchgeführt werden.

„Es ist besorgniserregend, dass der Kleingefleckte Katzenhai derzeit die einzige ungefährdete Knorpelfischart in den deutschen Meeresgebieten der Nord- und Ostsee ist“, so Prof. Thiel.
Als Haupt-Gefährdungsursachen der Knorpelfische werden die Fischerei, durch den Menschen verursachte Lebensraumveränderungen, Schadstoffe und der Einfluss des Klimawandels herausgestellt.

In der Studie wird die Einrichtung von wirksam gemanagten Meeresschutzgebieten als eine wesentliche Schutzmaßnahme vorgeschlagen. Hierbei könnte die Umsetzung von fischereilichen Regulierungsmaßnahmen in den bereits ausgewiesenen Natura 2000-Gebieten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee einen wichtigen Beitrag leisten.

„Diese Maßnahmen, die aktuell auf EU-Ebene verhandelt werden, umfassen den Ausschluss grundberührender Fanggeräte zum Schutz besonders wertvoller Lebensräume am Meeresboden. Das BfN engagiert sich bereits seit mehreren Jahren intensiv für die Umsetzung effektiver Fischerei-Managementmaßnahmen, auf nationaler wie auf internationaler Ebene – zu Recht, wie wir auch an diesem Thema wieder sehen“, erläutert Prof. Jessel.

So empfehlen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch, dass Schutzmaßnahmen für Knorpelfische im Bereich der Doggerbank, in dem die Niederlande, Großbritannien und Deutschland Natura 2000-Gebiete gemeldet haben, einem grenzübergreifenden Konzept folgen sollten, um eine möglichst hohe Wirksamkeit zu erzielen.

Ein internationales Netzwerk aus Schutzgebieten im Nordseeraum könnte auch bei der Wiederansiedlung bzw. Erholung von in den deutschen Meeresgebieten ausgestorbenen oder vom Aussterben bedrohten Hai- und Rochenarten unterstützend wirken.

Die Studie ist aktuell als Band 450 der Schriftenreihe „BfN-Skripten“ veröffentlicht worden und steht unter nachfolgendem Link zum Download bereit:
https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript450.pdf

Hintergrundinformationen zu Knorpelfischen:

Die Gruppe der Knorpelfische umfasst alle Haie und Rochen und die eigentümlich aussehenden Chi-mären oder Seekatzen. Ihr Skelett besteht – daher der Name – aus Knorpel, der durch die Einlagerung von prismatischem Kalk stellenweise eine hohe Festigkeit aufweist. Die Zähne sind nicht fest im Kieferknochen verankert, sondern sitzen in meist mehreren Reihen im Zahnfleisch und werden bei vielen Arten häufig ersetzt. Mit Hilfe spezieller Rezeptoren können sie selbst schwächste elektromagnetische Felder wahrnehmen. Anstelle von Schuppen besitzen Knorpelfische kleine Hautzähnchen.

Weltweit gibt es 509 Hai-, 630 Rochen- und 49 Chimärenarten, vergleichsweise nur sehr wenige von ihnen sind gemäß Washingtoner Artenschutzübereinkommen oder regionaler Meeresschutzüberein-kommen streng geschützt. Beispielsweise für den Dornhai gibt es seit 2010 ein Fangverbot für EU-Gewässer und für EU-Schiffe.

Manche Knorpelfischarten kommen bis in große Tiefen vor. Die in Nord- und Ostsee heimischen Arten leben vielfach bodennah, beispielsweise. der Dornhai. Vor allem Rochen halten sich überwiegend am Meeresboden auf und ernähren sich von dort versteckt lebenden Weichtieren, Würmern, Krebstieren und Fischen. Sie reagieren daher besonders empfindlich auf hohe Fischereiintensitäten und Zerstörungen des Meeresbodens mit seinen Lebensgemeinschaften.

Weiterführende Informationen:
Fischereimanagement in Meeresschutzgebieten http://www.bfn.de/22827.html
Grundschleppnetzfischerei: http://www.bfn.de/22823.html

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Ruth Schedlbauer Bundesamt für Naturschutz

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