Dürreresistenter Winzling mit großem Potenzial
Das nur wenige Zentimeter winzige Gras ist ein wahrer Überlebenskünstler: Oropetium thomaeum stammt aus Indien und hat sich an ausgeprägte Dürre angepasst. „Diese Gras-Spezies kann bis zu 95 Prozent ihres Wassergehaltes verlieren und bleibt trotzdem überlebensfähig“, sagt Prof. Dr. Dorothea Bartels vom Institut für Molekulare Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen an der Universität Bonn. „Das ist bei den Gefäßpflanzen ein Rekord!“ Die Biologin hat bereits vor einigen Jahren die ungewöhnliche Grasart intensiv untersucht.
Komplettes Erbgut des ungewöhnlichen Grases entschlüsselt
Wissenschaftler des Donald Danforth Plant Science Center in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri und ihre Kollegen von anderen amerikanischen Instituten haben nun mit einer neuartigen Methode das komplette Erbgut dieses Graswinzlings entschlüsselt.
Die Forscher bestimmten die Abfolge der Buchstaben des genetischen Codes, indem sie aus einzelnen Segmenten den kompletten DNA-Strang rekonstruierten. Das ist in etwa damit zu vergleichen, wie wenn man eine zerrissene Zeitung aus ihren Schnipseln zusammensetzt. Sind die Fetzen besonders klein, passieren bei der Rekonstruktion häufiger Fehler, als wenn die Stücke größer sind und man prüfen kann, ob der über mehrere Papierschnipsel hinweglaufende Text einen Sinn ergibt.
Ganz ähnlich gingen die Wissenschaftler mit ihrer Methode vor. „Mit unserer Technologie ist es uns gelungen, viel längere Sequenzen zu entziffern als gewöhnlich. Dadurch ist unsere Entschlüsselungsmethode deutlich genauer als bislang erfolgte Sequenzierungen“, sagt Korrespondenzautor Dr. Todd C. Mockler vom Donald Danforth Plant Science Center.
Prof. Bartels von der Universität Bonn, die an der aktuellen Studie beteiligt ist, stellte anhand der genauen Kartierung des Oropetium-Erbguts fest, dass die dürreresistente Pflanze mit nur 28.466 proteincodierenden Genen über das kleinste bislang entzifferte Gras-Genom verfügt. Mais, Weizen und Gerste haben deutlich längere DNA-Abfolgen.
Aber das war nicht die einzige Besonderheit, die die Wissenschaftler im Erbgut des Mini-Grases entdeckten: „Sequenzen, die bestimmte Schutzstoffe codieren, kommen besonders häufig im Genom von Oropetium thomaeum vor“, berichtet Prof. Bartels. Solche Gensequenzen sind in zahlreichen Pflanzen vertreten – in Oropetium sind sie aber ausgesprochen stark ausgeprägt. Diese Pflanze verfügt damit im Erbgut über eine wirkungsvolle Blaupause für schützende Proteine und Kohlenhydrate, die dafür sorgen, dass empfindliche Zellstrukturen des Grases bei starker Austrocknung keinen Schaden nehmen.
Molekulare „Bodyguards“ schützen das Gras bei Dürre
Diese Gene für molekulare „Bodyguards“ sind auch typisch für Pflanzensamen, bei denen durch Austrocknung der Keimling in Wartestellung gehalten wird. Sobald der Samen aber bei ausreichender Feuchte keimt, geht die Dürreresistenz wieder verloren. „Oropetium thomaeum behält diese Fähigkeit dagegen dauerhaft“, sagt Prof. Bartels. Niedere Organismen wie Moose, Algen und Hefen können ebenfalls sehr stark austrocknen, das verdanken sie aber hauptsächlich ausgetüftelter Reparaturmechanismen. „Sie erleiden durchaus Schäden durch Dürre, können diese aber sehr schnell heilen“, erläutert die Biologie-Professorin der Universität Bonn.
Als Fernziel schwebt dem Forscherteam vor, anhand des Oropetium-Erbguts noch mehr über die Mechanismen der Dürreresistenz zu erfahren und irgendwann einmal auf wichtige landwirtschaftliche Kulturpflanzen wie Mais, Gerste oder Weizen zu übertragen. „Das wird aber absehbar nicht ganz einfach“, sagt Prof. Bartels. Denn Oropetium thomaeum bezahlt seine Trockenheitsresistenz mit seiner Kleinwüchsigkeit – und die ist in der ertragsorientierten Landwirtschaft kaum gefragt. Außerdem sind in dem Graswinzling viele verschiedene Gene an der Widerstandskraft gegen Dürre beteiligt. „Die Pflanzenzüchtung steht damit vor einer großen Herausforderung“, betont die Wissenschaftlerin der Universität Bonn.
Publikation: Single-molecule sequencing of the desiccation tolerant grass Oropetium thomaeum, Nature, DOI: 10.1038/nature15714
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Dorothea Bartels
Institut für Molekulare Physiologie und
Biotechnologie der Pflanzen
Universität Bonn
Tel.: 0228/732070
E-Mail: dbartels@uni-bonn.de
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