Blattläuse bevorzugen Weizen mit gentechnisch veränderter Mehltauresistenz

Grüne Gentechnik ist seit vielen Jahren umstritten und die Meinungen über das Thema sind stark polarisiert. Während die einen grüne Gentechnik als neue Schlüsseltechnolgie im Kampf gegen Umweltprobleme und Welthunger befürworten, sehen Gegner in ihr unkontrollierbare Risiken für Mensch und Umwelt. Obwohl in einigen Ländern wie Österreich und der Schweiz der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen noch nicht zugelassen ist, werden weltweit schon 148 Millionen Hektar gv-Nutzpflanzen angebaut.

Schädlingsresistente Pflanzensorten wie beispielsweise der Bt-Mais oder der mit Vitamin A angereicherte Golden Rice sollen die Landwirtschaft für die Umwelt verträglicher machen und Entwicklungsländern bessere Nahrungsquellen zur Verfügung stellen.

Eine zentrale Frage in der Debatte um die Sicherheit ist, inwieweit der Eingriff in das Erbgut von Nutzpflanzen, sich auch auf Ökosysteme und die Vielfalt von Organismen auswirken könnte. Dass solche Fragen nicht leicht zu beantworten sind, zeigt eine aktuelle Studie um den Schweizer Pflanzenforscher Jörg Romeis. Sein Team wird von der Schweizer Initiative „Nationales Forschungsprojekt 59“ (NFP 59, Link: gefördert, dass parallel zum Schweizer Gentechnik Moratorium von 2005 entwickelt wurde. Die Wissenschaftler gehören somit zu den wenigen Pflanzenforschern, die Freilandversuche mit gv-Pflanzen in der Schweiz durchführen dürfen.

Mehltau schütz Weizen vor Blattlausbefall

In ihrer Studie untersuchte das Team des Institutes für Evolutionsbiologie und Umweltforschung der Universität Zürich welche Wirkung gentechnisch veränderte Mehltauresistenz im Weizen auf pflanzenfressende Insekten hat. Die Forscher verglichen dabei zwei gv Weizentypen mit unterschiedlich spezifischem Wirkungsspektrum. Der erste Weizentyp besitzt eine sehr spezifische Resistenz durch das Gen Pm3b. Mit dem Pm3b-Resistenzgen produziert die Pflanze ein Eiweiß, das den Mehltau als Angreifer erkennt und eine entsprechende Abwehrreaktion der Pflanze einleitet. Insgesamt gibt es 16 Pm3 Genvarianten, aber nur die Variante b wirkt spezifisch gegen die Mehltauunterart Blumeria graminis forma specialis tritici, die ausschließlich den Weizen befällt. Auf den zweiten Weizentyp wurden zwei Resistenzgene aus der Gerste übertragen. Das Chitinase-Gen und das Gen für die beta-1,3 Glucanase. Beide Enzyme zerstören die chitinhaltige Zellwand des Mehltaupilzes. Allerdings enthalten die Zellwände der meisten Pilze Chitin und der Mehrfachzucker wird darüber hinaus auch in die äußeren Panzer vieler Insektenarten eingebaut. Eine Art Breitbandresistenz also, die Pflanzenforscher als unspezifisch klassifizieren und in deren Wirkungspektrum möglicherweise auch andere Pilze und Insekten fallen könnten.

Die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie scheinen dies aber nicht zu bestätigen. Weder auf die Anzahl an Blattläusen, die den Saft aus den Leitbündeln des Weizens abzapfen, noch auf die des Blattkäfers, Oulema melanopus, der sich von den Blättern der Weizenpflanzen ernährt, schien sich der Eingriff in das Erbgut der Weizenpflanzen negativ auszuwirken. Der Befall an Blattläusen in den Pm3b-Pflanzen stieg sogar um 60% im Vergleich zu den Wildtypkontrollen. Die Forscher führen dies jedoch nicht auf die genetische Veränderung in den Pflanzen zurück, sondern auf den Grad der Mehltauinfektion. Je stärker die Weizenpflanzen von Mehltau befallen waren, desto weniger Blattläuse wurden gezählt. Die Blattläuse, so vermuten die Forscher in ihrer Studie, werden mit den Pilzfäden des Mehltaus überzogen und können aus diesem Grund nicht mehr das Pflanzengewebe durchbohren, um an den Pflanzensaft zu gelangen. Dies schien jedoch nur bei den spezifisch-resistenten Pm3b Pflanzen der Fall zu sein. Für den Chitinase/Glucanase GV Weizen, der genauso stark mit Mehltau infiziert war wie die Kontrolllinien, hatten die Insekten keine Vorliebe im Vergleich zu den Wildtyppflanzen.

Im freien Feld zeigten Blattläuse keine Vorlieben

Getreideblattläuse verursachen nicht nur Saugschäden, sondern infizieren Getreidepflanzen auch mit Viren und sorgen somit in manchen Jahren für erhebliche Ernteausfälle. Aussagekräftig waren die beobachteten Unterschiede des Blattlausbefalls zwischen den gv- und Wildtyppflanzen jedoch nur im Treibhaus. Verlagerten die Forscher ihre Experimente ins freie Feld, besiedelten die Insekten die gv- und Kontrollpflanzen gleichermaßen. Dass unter freiem Himmel keine Unterschiede beobachtet wurden, erklären sich die Wissenschaftler mit der Tatsache, dass auch die Mehltauinfektionen in den zwei Jahren der Feldbeobachtungen gering waren. In den Treibhäusern mit ihrer hohen Luftfeuchtigkeit herrschen dagegen ideale Bedingungen für den Pilz und die Mehltauinfektionen fielen entsprechend höher aus. Ob in Ländern mit anderen klimatischen Bedingungen und stärkerem Mehltaubefall, gv-Pflanzen im Freiland möglicherweise doch anfälliger für Blattläuse sein könnten, bleibt daher abzuwarten.

Keine einfachen Lösungen für komplexe Ökosysteme

Die Ergebnisse der züricher Forschungsgruppe liefern ein weiteres Beispiel dafür, dass die Biosicherheitsforschung um die grüne Gentechnik so komplex ist, wie die Ökosysteme selbst. Sowohl bei gentechnisch veränderten Resistenzen, als auch bei chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln scheint der Nutzen oft nur von zeitlich begrenzter Dauer zu sein. So reduzierte der Anbau von Bt-Baumwolle in China beispielsweise den Einsatz von Breitbandpestiziden. Dies führte jedoch zu einer massiven Vermehrung von Weichwanzen, die in diesen Regionen jetzt bis zu 50% der Ernte vernichten. In Deutschland zeigte sich, dass der übermäßige Einsatz von Insektiziden gegen Blattläuse den Blattlausbefall dauerhaft verstärkt, da die Fressfeinde der Blattläuse ebenso vernichtet werden. Siehe hierzu den Beitrag „Weniger ist manchmal mehr“ auf Pflanzenforschung.de.

Es scheint, dass auch die Sicherheitsforschung nicht immer eindeutige Antworten auf die Fragen nach dem Nutzen und den Risiken der grünen Gentechnik geben kann, da diese oft von jahreszeitlichen und lokalen Bedingungen abhängen. Dementsprechend vorsichtig werden auch die Zielsetzungen auf der Webseite des Schweizer NFPs 59 formuliert: „Trotz hoher Erwartungen wird das NFP 59 keine definitive Antwort auf die Frage liefern, ob die kommerzielle Freisetzung von GVP in der Schweiz zuzulassen oder zu verbieten sei. Aber es wird mit wissenschaftlichen Grundlagen zu einer sachlicheren Diskussion im politischen Entscheidungsprozess beitragen.“

Quelle:
F. Alvarez-Alfageme et al. (2011). Infestation of Transgenic Powdery Mildew-Resistant Wheat by Naturally Occurring Insect Herbivores under Different Environmental Conditions. PLoS ONE 6(7): e22690. doi:10.1371/journal.pone.0022690.

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