Internationaler Saatgutvertrag jetzt funktionsfähig

Die Staatengemeinschaft hat sich vergangene Woche in Madrid getroffen, um sich für die Vielfalt von Kulturpflanzen einzusetzen. Nachdem 2001 ein internationaler Saatgutvertrag unter dem Dach der FAO verabschiedet wurde, traten vom 12. bis 16. Juni erstmals dessen Vertragsstaaten zusammen. Bislang haben 103 Länder den Vertrag ratifiziert. Er verpflichtet sie zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Vielfalt und vor allem zu einer gerechten Verteilung der Vorteile, die aus ihrer Nutzung entstehen, zwischen Nord und Süd, Züchtern und Landwirten.

Die biologische Vielfalt ist nicht nur in Wald und Wiese gefährdet. Auch die Vielfalt landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und Nutztiere nimmt beständig ab, vor allem durch die industrialisierte Landwirtschaft. Die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt, dass 99,6 Prozent der Kulturpflanzen nicht oder kaum genutzt werden, und ein Großteil der Welternährung auf nur zehn Kulturpflanzenarten basiert. Schätzungen gehen davon aus, dass heute nur noch 25 Prozent derjenigen Vielfalt angebaut werden, die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf unseren Feldern stand. Ähnliches gilt für Nutztiere.

Indem der Saatgutvertrag Züchtern die Nutzung wichtiger Nahrungs- und Futterpflanzen in Genbanken als globales Kollektivgut ermöglicht und zugleich die Rechte von Landwirten stärkt, leistet er einen zentralen Beitrag für die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren, die so genannte Agrobiodiversität. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für die Ernährungssicherheit, vor allem in Entwicklungsländern. Diese sind besonders auf ertragsstabiles, lokal angepasstes und ohne teure Inputs nutzbares Saatgut angewiesen.

„Jetzt ist der Saatgutvertrag endlich voll funktionsfähig“, berichtet Franziska Wolff, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Öko-Instituts e.V., von den Verhandlungen in Madrid. In den vergangenen Tagen haben die Vertragsstaaten die letzten Verfahrensfragen geklärt. Neben Verfahrensregeln, einem Budget und einer Finanzierungsstrategie wurde die Einrichtung eines Compliance-Komitees beschlossen. Vor allem aber wurden die konkreten Bedingungen festgesetzt, unter denen Züchter künftig Saatgut aus (internationalen) Genbanken beziehen können und gleichzeitig Landwirte in Entwicklungs- und Transitionsländern am Gewinn der Züchter beteiligt werden müssen. Das ist deshalb wichtig, weil bäuerliche Gemeinschaften über Jahrhunderte hinweg die heute existierende Vielfalt entwickelt und bewahrt haben.

Züchtungsunternehmen müssen in Zukunft, wenn sie durch ihre Verwendung bestimmter genetischer Ressourcen den Zugang zur Forschung oder züchterischen Weiterentwicklung beschränken – zum Beispiel durch Patente -, einen Ausgleich zahlen. Dieser beträgt 1,1 Prozent ihres Umsatzes des daraus entwickelten Produkts. Er fließt in einen internationalen Fonds. Aus ihm sollen Projekte zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Entwicklungs- und Transitionsländern gefördert werden. Bis zuletzt war unklar, ob die Verhandlungen erfolgreich sein würden. Nun ist der Grundstein für das Funktionieren des Saatgutvertrags gelegt. Wie wirkungsvoll der Vertrag allerdings in Zukunft sein wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Unter anderem ist zentral, wie viele Ressourcen Staaten und Unternehmen im Rahmen der Finanzierungsstrategie des Vertrags für Schutz und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen, insbesondere in agrobio-diversitätsreichen Entwicklungsländern, bereitstellen.

Das Öko-Institut empfiehlt darüber hinaus, dass sich die Vertragsstaaten, wenn beim nächsten Treffen 2007 die nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen auf der Agenda steht, auch über Reformen nationaler Agrarpolitiken verständigen. Nur so kann auch in intensiven Agrarsystemen wieder mehr Vielfalt auf den Feldern ('on farm') und Tellern geschaffen werden. „Stellschrauben in Europa sind beispielsweise Saatgutverkehrs- und Sortenschutzrecht, Vermarktungsnormen und Subventionen“, erläutert Miriam Dross, Umweltrechtlerin am Öko-Institut. Aber auch Lebensmittelindustrie, Handel und Konsumenten müssen wieder die Vielfalt entdecken. Zudem sollten die Vertragsstaaten diskutieren, wie die Landwirterechte mit Hilfe internationaler Leitlinien national effektiver ausgestaltet werden können. So ist das Recht auf freien Austausch und Wiederaussaat von Saatgut nicht nur in den Ländern des Südens ein Garant für Vielfalt im Anbau und Ernährungssicherheit. Nicht zuletzt müssen die Vertragsstaaten künftig die Möglichkeiten der Patentierung des kollektiv zugänglichen Pflanzenmaterials zurückhaltend auslegen, um Biopiraterie zu verhindern.

Ansprechpartnerin:

Franziska Wolff
Bereich Umweltrecht, Öko-Institut e.V., Büro Berlin
Telefon +49- (0)30-280 486-71, Fax +49-(0)30- 280 486-88, E-Mail f.wolff@oeko.de
Weiterführende Informationen zum Thema Agrobiodiversität finden sich auf der Projektwebsite http://www.agrobiodiversitaet.net.

Das Öko-Institut ist eine der europaweit führenden, unabhängigen Forschungs- und Beratungseinrichtungen für eine nachhaltige Zukunft. Es erarbeitet Grundlagen und Strategien, wie die Vision einer nachhaltigen Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Das Institut ist an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin vertreten.

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Christiane Rathmann idw

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