Farina di carne – Bolognese für den Acker?

Nein, kein neues Gericht beim Italiener, „farina di carne“ ist das italienische Wort für „Tiermehl“. Dessen Verwendung in der Düngung war eines der zentralen und äußerst kontrovers diskutierten Themen auf der FERTILEXPO vom 29.11. – 02.12.2004 in Venedig und dessen Verbleib in Böden Thema eines Expertengespräches zum „Abbauverhalten von tierischen Reststoffen im Boden“ am 25.01.2005 im Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt in Braunschweig. Unter (handelsfähigem) Tiermehl, genauer „Fleisch-Knochen-Mehl“ (FKM), versteht man die erhitzten, getrockneten und vermahlenen Reste von nicht vermarkteten oder vermarktbaren tierischen Schlachtkörpern. Und die wiederum machen etwa ein Drittel aller tierischen Abfälle aus, unter die auch Blut, Federn und sonstige üblicherweise nicht in Nahrungsmitteln verwendeten oder aus hygienischen Gründen zu beseitigende Bestandteile der Tierkörper fallen.

In den Handel kommt nur FKM, welches aus „für den menschlichen Genuss tauglichen“ Teilen der Tierkörper gewonnen wird. Auf den ersten Blick sieht FKM tatsächlich wie Bolognese aus (Foto) und wanderte bis vor einigen Jahren als preiswerte Eiweißquelle zurück in die Futtertröge. Als Folge der BSE Krise ist das jedoch derzeit vorerst bis zum Jahr 2006 verboten. FKM enthält die für alle Lebewesen essentiellen Mineralstoffe, und zwar 6-8 % Stickstoff (N) und zu 5-6% Phosphor (P). P zählt zu den knappsten nicht erneuerbaren Ressourcen. Die derzeit geschätzten natürlichen P-Vorräte reichen weltweit nur noch für 50-150 Jahre. Die in FKM anfallende Menge an P entspricht zwar weniger als 10 % des P-Bedarfs der deutschen Landwirtschaft insgesamt, aber immer noch etwa einem Drittel des Verbrauches an mineralischen P-Düngern, was heißt, dass die Rückführung dieser P-Mengen in einen geschlossenen P-Kreislauf essentiell für nachhaltiges Wirtschaften mit der natürlichen Ressource P ist.

Im vergangenen Jahr fielen in Deutschland 163 Millionen kg, in Italien sogar 260 Millionen kg FKM an, von denen in Deutschland nur noch 4 %, in Italien, wie auf der FERTILEXPO berichtet, aber erstaunliche 22 % zu legalem Futter für Haustiere verarbeitet wurden. Die durch das Fütterungsverbot auflaufenden Mengen an FKM stellen mittlerweile europaweit ein beträchtliches Entsorgungsproblem dar, was dann auch die Verwendung als Düngemittel attraktiv macht, denn den bisher erzielten Preisen von etwa 200 ¤ pro Tonne FKM als Futtermittel stehen jetzt Entsorgungspreise von etwa 200 ¤ für die Verbrennung jeder Tonne FKM entgegen.

In der Düngemittel-Verordnung (DüMV) werden die FKM dem Düngemitteltyp „organische NP-Düngemittel“ zugeordnet. Gegenüber Mineraldüngern haben FKM hinsichtlich der Wirkung des in ihnen enthaltenen N und P jedoch Nachteile. Da ist zunächst einmal die erhöhte Unberechenbarkeit der Mineralisation des N aus Eiweißen. N aus tierischen Reststoffen wirkt langsam, ist aber dennoch voll ausnutzbar und dementsprechend in voller Höhe in kalkulatorischen N-Bilanzen zu berücksichtigen. Aus der verzögerten Wirkung organisch gebundenen N können sich Nachteile hinsichtlich der produktionstechnischen Koordinierung der zeitlichen Koinzidenz von N-Bedarf der Pflanzen und N-Bereitstellung aus Düngemitteln durch Mineralisation ergeben. Daher sind die insgesamt zu erwartenden Verluste höher und der Ausnutzungsgrad von N aus tierischen Reststoffen etwa 10 % niedriger anzusetzen als bei mineralischem N. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich das Bodenleben hauptsächlich von Abbauprodukten pflanzlicher Substanzen ernährt, faktisch also überwiegend „vegetarisch“ lebt. FKM dagegen wird von den Räubern in der Nahrungskette bevorzugt und gibt diesen dadurch einen ökologischen Vorteil und beeinflusst die Biodiversität des Bodenlebens.

Aus Sicht der Pflanzenernährung ist bei Einsatz von FKM als NP-Dünger zu berücksichtigen, dass P in tierischen Reststoffen, wie eben FKM, überwiegend den apatitischen Mineralien der Knochensubstanz entstammt. Dieser ist hinsichtlich seiner Wirkung auf die P-Versorgung der Pflanzen weicherdigen Rohphosphaten und so genannten „Moordüngern“ vergleichbar und damit nach einstimmiger Expertenmeinung unter den physikochemischen Bedingungen der meisten Ackerböden selbst humider Klimate nur sehr eingeschränkt pflanzenverfügbar. Ohne weiteren chemischen Aufschluss der P-Fraktion kann von organischen NP-Düngern aus FKM allenfalls auf sauren (pH < 5,5) Böden und bei ausreichend hohem Vermahlungsgrad der mineralischen Fraktion (Siebdurchgang 90 % bei 0,063mm; 99 % bei 0,0125mm (entsprechend den Vorgaben der DüMV für P-Dünger basierend auf Rohstoffen apatitischen Ursprungs) eine nennenswerte P-Wirkung erwartet werden. Am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) werden seit 2001 Versuche mit FKM als Düngemittel durchgeführt und an der Verbesserung der Verfügbarkeit des in FKM enthaltenen P geforscht (Foto). Grundlage ist dabei die thermische Verwertung (Verbrennung) von FKM. Zur Verbesserung der Löslichkeit des beim Verbrennungsprozess kristallisierenden P wurde auf der FERTILEXPO eine an der FAL entwickelte Kombination der Aschen mit elementarem Schwefel vorgestellt (Foto). Der Schwefel wird durch im Boden angereicherte Thiobazillen zu Schwefelsäure umgesetzt, die wiederum kristallisiertes P apatitischen Ursprungs für die Pflanzen verfügbar macht. Die Tatsache, dass sowohl elementarer Schwefel als auch Knochenmehlaschen in den Positivlisten der EU Verordnung 2092/91 enthalten sind, macht dieses neue Düngemittel auch im ökologischen Landbau einsetzbar. Besonders hervorzuheben sind dann auch die im Vergleich zu Handelsdüngern geringeren Gehalte an Schwermetallen, insbesondere Cadmium und Uran. Kontakt: Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, E-Mail: pb@fal.de

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Margit Fink idw

Weitere Informationen:

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