Big Brother im Hühnerstall – oder wie kommt das Ökohuhn in den Supermarkt?

Der Tierschutzgedanke hat in den letzten Jahren besonders in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewonnen. Beispiele sind die Verankerung im Grundgesetz aber auch diverse Tierschutz relevante Verordnungen im Bereich der Nutztierhaltung.

Die landwirtschaftlichen Betriebe mit ökologischem Hintergrund haben mit ihrer Forderung nach artgerechter Nutztierhaltung eine Vorreiterrolle eingenommen, die längst den Mainstream- und damit die Supermärkte erreicht hat. In den 1980er Jahren galt es noch als ideologisch auf die Bedeutung der Qualität der Tierhaltung und ökologisch produzierte Lebensmittel hinzuweisen. Während heute nicht nur die Barbourjackenträger und die Elterngeneration der Waldorfkinder zu den Verbrauchern zählen, die zu ökologisch und tiergerecht erzeugten Produkten greifen.

Bisher gehörten gerade mittelständische Betriebe zu den Verlierern dieses Trends und zwar aus rein ökonomischer Sicht. „Eier müssen zu erschwinglichen Preisen angeboten werden, also muss die Legehennen Kosten-Nutzenkalkulation optimiert werden“, weiß auch Prof. Robby Andersson von der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, der mit Fördermitteln der Dr. Gustav Bauckloh Stiftung das Projekt „Eigenkontrolle Tierschutz (EiTi)“ an der Fachhochschule Osnabrück plant und koordiniert. „Leider können die Betriebe nicht so handeln, wie sie möchten – oder wie es für eine tiergerechte Tierhaltung notwendig wäre. Ökonomische Gründe und gesetzliche Auflagen wirken unmittelbar auf die betrieblichen Entscheidungen ein. Die Sorge vor der Übertragung von Vogelgrippe auf den Menschen führt zur Aufstallungspflicht, aktuell ist nur per Ausnahme die Freilandhaltung der Hühner erlaubt.“

Aufklärung und Selbstbestimmung sind oft die besten Partner für Veränderungen. Genau an diesem Punkt setzt das Hochschulprojekt „EiTi – Eigenkontrolle Tierschutz“ an, indem es sich an die Eigenverantwortung mittelständischer Betriebe in den Fragen der tiergerechten Geflügelhaltung richtet.

Ökonomie und Tierschutz lassen sich verbinden, so die erfreuliche Botschaft aus der Fachhochschule Osnabrück: Nach dem Baukastenprinzip bestehend aus Informationen, Weiterbildung, einfachen Handlungsbeispielen in Form von „best practise“-Darstellungen und die Einbindung in die Lehre an der Hochschule sollen landwirtschaftlichen Betriebe an tiergerechter Haltung herangeführt werden. Mit einer Webcam wird der Versuchshof der Fachhochschule Osnabrück schließlich selbst via Internet zur lebenden Anleitung artgerechter Nutztierhaltung und erreicht so bundesweit seine Nutzer.

Die Betriebsleiter sollen in die Lage versetzt werden – auch unter kurzfristig geänderten Rahmenbedingungen (z.B. Seuchenausbruch) – Legehennen möglichst tiergerecht zu halten. „Es wird aber ausdrücklich die Übertragbarkeit auf die konventionelle Hühnerhaltung angestrebt – tiergerechte Tierhaltung ist auch mit konventionellem Futter möglich und somit darf der mittelfristige Schwerpunkt nicht exklusiv auf dem ökologischen Landbau liegen; immerhin werden mehr als 96 % aller Legehennen außerhalb des ökologischen Landbaus gehalten“, unterstreicht Prof. Andersson seine Projektzielgruppe.

Zunächst soll mit einer kleinen Pilot-Variante begonnen werden. Die Webcam ist dabei eine Möglichkeit, (orts-) unabhängig eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. Auch die Vorlesungen zum Thema Legehennenhaltung sollen übertragen werden. Die Inhalte können mit unterschiedlicher „Tiefe“ über das Internet abgerufen werden. Die Einstufung der Inhalte bestimmt der Nutzer (z.B. Videosequenz zu definiertem Thema oder „live-“ Einblick in einen Stall).

Media Contact

Olga Suin de Boutemard idw

Weitere Informationen:

http://www.fh-osnabrueck.de

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