Agrarwissenschaftler erforschen Nutzung der Abwärme aus Biogas

Mit der Wärme aus der Biogasverbrennung könnten Schweineställe oder ein Gewächshaus beheizt, Getreide getrocknet oder Milch gekühlt werden. Zu diesem Thema forschen Agrartechniker der Universität Kassel in Witzenhausen.

Wohin mit der Abwärme? Diese Frage stellen sich viele Betreiber und Investoren von Biogasanlagen, die häufig auf der „grünen Wiese“ gebaut werden. Bisher weicht die thermische Energie aus den Blockheizkraftwerken (BHKW) noch viel zu oft ungenutzt in die Luft. Die Verschwendung engt den finanziellen Spielraum der Anlagenbetreiber ein und ist wegen des CO²-Ausstosses auch noch gefährlich für das Klima. Die bessere Nutzung der Abwärme könnte den Anlagebetreibern zusätzlich Tausende von Euro in die Kassen spülen und so die Rentabilität erhöhen.

Dafür entwickeln Wissenschaftler des Fachbereichs Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen momentan ein kalkulierbares System von Einsatzmöglichkeiten und damit eine wertvolle Planungshilfe für Landwirte.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens NABEL (Nutzung von Abwärme au Bioenergie in der Landwirtschaft) entwickeln die Wissenschaftler ein für den Landwirt leicht zu bedienendes Software-Werkzeug, das voraussichtlich Anfang nächsten Jahres allen Interessenten auf einer frei zugänglichen Internetplattform zur Verfügung stehen wird. Betreiber und interessierte Betriebsleiter können dann mit den Daten zur Art der Anlage, des eingesetzten Substrats (zum Beispiel Energiepflanzen oder Gülle) und einer Reihe von innerbetrieblichen Wärmenutzungsoptionen die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlage durchrechnen.

Der Trend geht beim Biogas zu immer größeren Anlagen. Vor zehn Jahre noch hätten große Anlagen eine elektrische Leistung von 500 Kilowatt (Kw) gehabt, heute seien Bioreaktoren mit 1,5 Megawatt (MW) Leistung keine Seltenheit, sagt der Betriebswirtschaftler Torsten Siegmeier, der mit den Professoren Dr. Detlev Möller. Fachgebiet Betriebswirtschaft und Dr.-Ing. Oliver Hensel, dem Fachgebietsleiter Agrartechnik, und Informatikern des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) Darmstadt im Rahmen des Forschungsvorhabens das Werkzeug für das Internet erarbeitet. Aber gerade mit der Größe der Biogasanlage wächst das Problem der überschüssigen Wärme, die neben dem Strom produziert wird. Denn nur rund 40 Prozent des Biogases werden im Blockheizkraftwerk in elektrische Energie umgewandelt, der Rest ist Wärme. Und davon wird nur etwa ein Drittel als Prozesswärme benötigt, um den Bakterien in den Gärbehältern die Arbeit zu erleichtern. „Für die Betreiber großer Anlagen ist es schwierig, die Abwärme sinnvoll zu nutzen“, sagt Siegmeier. Häufig fehle dem Biogas-Landwirt ein Abnehmer für diese Wärme, weil seine Anlage kilometerweit von möglichen Abnehmern entfernt liegt und ein Transport über Leitungen wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Auf Basis von Zahlen des Bundesumweltministeriums aus 2009 schätzt Siegmeier die ungenutzte Wärmemenge aus der Biogasverstromung auf 6-8 TWh. Andererseits schrumpfen die Margen der Anlagenbetreiber, weil die staatliche Einspeisevergütung für ihren Strom sinkt. Da biete die Nutzung der überschüssigen Wärme im landwirtschaftlichen Betrieb die Chance, leichter die Rentabilitätsschwelle zu erreichen, sagt Siegmeier. Allerdings seien dabei Landwirte im Vorteil, die nicht nur auf Biogas setzen, sondern noch weitere Betriebszweige hätten, die die Wärme auch verbrauchen können. Nicht umsonst hätten Bio-Landwirte mit ihren traditionell vielfältigen Hofstrukturen kaum Probleme, die überschüssige Wärme ihrer eher kleinen Biogasanlagen unterzubringen.

Mit dem neuen Software-Werkzeug, das den auf der Homepage des KTBL bereits seit längerem verfügbaren „Wirtschaftlichkeitsrechner Biogas“ ergänzt, könne der Landwirt den Jahresverlauf der Wärmenutzung kalkulieren, sagt Siegmeier. Das ist nötig, weil Wärmeangebot und Wärmebedarf zu den unterschiedlichen Jahreszeiten stark schwanken.

Solar World Congress 2011
Das Biogas-Projekt ist ein Beispiel für die breit aufgestellte Kompetenz der Universität Kassel im Bereich regenerativer Technologien und Umweltthemen. Die Universität richtet in diesem Jahr den Solar World Congress aus. Der Solar World Congress ist weltweit der größte Wissenschaftskongress im Bereich Solarenergie und –architektur. Hauptthemen der Veranstaltung vom 28. August bis 2. September in Kassel sind solares Heizen und Kühlen, Solararchitektur, regenerative Stromversorgung, regenerative Energieressourcen sowie regenerative Energien und Gesellschaft. Ausrichter ist die Universität Kassel in Kooperation mit der International Solar Energy Society (ISES). Weitere Informationen gibt es unter http://www.swc2011.org.
Info
M. Sc. Torsten Siegmeier
Universität Kassel
FB 11 – Ökologische Agrarwissenschaften
FG Betriebswirtschaft
Tel.: 0561/804-1327
E-Mail: siegmeier@uni-kassel.de
Prof. Dr.-Ing. Oliver Hensel
Universität Kassel
FB 11 – Ökologische Agrarwissenschaften
FG Agrartechnik
Tel.: 0561/804-1225
E-Mail: agrartechnik@uni-kassel.de
Prof. Dr. Detlev Möller
Universität Kassel
FB 11 – Ökologische Agrarwissenschaften
FG Betriebswirtschaft
Tel.: (0561) 804-1330
E-Mail: d.moeller@uni-kassel.de

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Christine Mandel idw

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