Holz am Meeresboden – eine Oase für Tiefseetiere

Besiedlung von Holz in der Tiefsee und die Ausbildung sulfidischer Nischen am Meeresboden<br><br>© Bienhold et al., PLoS ONE 8(1): e53590) doi:10.1371/journal.pone.0053590<br>

Ein Team von Bremer Max-Planck-Forscherinnen und -Forschern konnte zum ersten Mal zeigen, wie sich abgesunkenes Holz zu einem attraktiven Lebensraum für eine Vielfalt von Bakterien und wirbellosen Tieren entwickelt. Ihre Hypothese, dass Bakterien bei der Holzzersetzung Schwefelwasserstoff freisetzen und so sogar Tiere von heißen und kalten Quellen im Meer anziehen, konnten sie mit Hilfe von Roboter-Messungen im tiefen Mittelmeer bestätigen.

Manche Tiefseelebewesen wie Muscheln und Röhrenwürmer sind auf besondere Formen der Energieversorgung angewiesen, einem Cocktail von energiereichen chemischen Verbindungen wie Methan und Schwefelwasserstoff, der an heißen und kalten Quellen aus dem Meeresboden austritt. Sie tragen in ihrem Inneren bakterielle Symbionten, die für sie die Energie aus diesen Verbindungen in Nahrung umwandeln. Doch diese Oasen in der Wüste der Tiefsee liegen zum Teil Hunderte von Kilometern auseinander und zwischen ihnen gibt es keine Verbindung.

Die Frage, wie sich deren Bewohner von einer Quelle zur nächsten ausbreiten konnten, war bislang ein ungelöstes Rätsel. Eine Hypothese war, dass abgesunkene Kadaver von toten Walen, abgerissener Tang, aber auch entwurzelte Baumstämme als Zwischenstopp und Nahrungsquelle dienen könnten, wenn denn Tiefseebakterien daraus Methan und Schwefelverbindungen erzeugen könnten.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, versenkte das Team um Bienhold im östlichen Mittelmeer in einer Tiefe von 1700 Metern Baumstämme und kehrte nach einem Jahr zurück, um die Fauna, Bakterien und die chemischen Mikrogradienten zu untersuchen. „Wir waren doch überrascht, wie viele Tiere das Holz bereits nach einem Jahr bevölkert hatten. Am stärksten besiedelt war das Holz von einer besonderen Bohrmuschelart – auch Schiffsbohrwürmer genannt. Diese Muscheln vom Typ Xylophaga bilden sozusagen die Vorhut und bereiten das Habitat für die Nachfolger vor“, sagt Christina Bienhold. „Auch sie brauchen bakterielle Hilfe, nämlich um sich die schwerverdauliche Cellulose aus dem Holz zu Nutze zu machen.“ Die Forscher beobachteten, wie die Bohrmuscheln die Holzstämme in Späne zerlegt hatten, die dann von vielen anderen Organismen weiter abgebaut wurden. Diese Aktivität verbraucht Sauerstoff und ermöglicht die Produktion von Schwefelwasserstoff durch sulfatreduzierende Mikroorganismen. Und tatsächlich fanden die Forscher auch eine von Schwefel als Energiequelle abhängige Muschelart, die sonst nur an kalten Quellen vorkommt.

„So können Tiefseebakterien aus einem Fremdstoff wie Holz einen neuen Lebensraum schaffen, wie gemacht für Muscheln von kalten Quellen auf Durchreise“, sagt Antje Boetius, Fahrtleiterin der Expedition. Auch unbekannte Arten von Tiefseewürmern entdeckten die Forscher, welche von taxonomischen Experten in Deutschland und den USA beschrieben werden. Die zufälligen Holzeinträge begünstigen also nicht nur die Verbreitung seltener Tiefseetiere, sondern bilden auch wahre „Hotspots“ des Lebens am Meeresgrund.

Diese Arbeit ist Teil des deutsch-französischen Projektes DIWOOD, das von der Max-Planck-Gesellschaft und der französischen CNRS gefördert wird. Weitere Mittel kamen aus den EU-Projekten HERMES (6 FP) und HERMIONE (7 FP).

Ansprechpartner
Dr. Christina Bienhold, MPI für Marine Mikrobiologie, Celsiusstr. 1, D-28359 Bremen
Telefon:0421 2028 – 869, cbienhol@mpi-bremen.de

Prof. Dr. Antje Boetius
HGF-MPG Brückengruppe für Tiefseeökologie und -Technologie
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Telefon:0421 2028 – 860, aboetius@mpi-bremen.de

Pressebüro
Dr. Manfred Schlösser +49 421 2028 704 mschloes@mpi-bremen.de
Dr. Rita Dunker +49 421 2028 856 rdunker@mpi-bremen.de

Originalartikel
Bienhold C, Pop Ristova P, Wenzhöfer F, Dittmar T, Boetius A (2013) How Deep-Sea Wood Falls Sustain Chemosynthetic Life. PLoS ONE 8(1): e53590.

doi:10.1371/journal.pone.0053590

Media Contact

Dr. Manfred Schloesser Max-Planck-Institut

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