Projekt an der Uni Essen: Wie weit entwickeln sich embryonale Stammzellen von Primaten?

Wissenschaftler der Universität Essen wollen herausfinden, ob sich aus den embryonalen Stammzellen von Affen wieder vollständige Embryonen entwickeln können. Bislang wird dies für nicht möglich gehalten. Zwar ist bekannt, dass aus embryonalen Stammzellen „embryoide Körper“ wachsen können; sie sind aber keine Embryonen und können sich, so die Deutsche Forschungsgemeinschaft am 3. Mai dieses Jahres, auch nicht zu Embryonen weiter entwickeln. Am Institut für Anatomie des Essener Universitätsklinikums hält der Entwicklungsbiologe Professor Dr. Hans-Werner Denker diese Annahme für zumindest nicht ausreichend belegt. Denker will ein Experiment wiederholen, über das der in Madison, Wisconsin, tätige, hoch renommierte Stammzellexperte James A. Thomson bereits 1996 in der Fachzeitschrift „Biology of Reproduction“ berichtet hatte. Es handelte sich um ein Experiment mit den Stammzellen von Weißbüscheläffchen.

In einer der Abbildungen zu Thomsons Aufsatz, die – wenn die bislang vertretene Auffassung von der „Nur-Pluripotenz“ embryonaler Stammzellen zutreffend ist – lediglich eine aus embryonalen Stammzellen gezüchtete Zellmasse hätte zeigen dürfen, sieht Denker – wie Thomson selbst – etwas, das „einem frühen Embryo auf verblüffende Weise ähnlich sieht“. Vergleichbare Embryo-Bildungen könnten geschehen, wenn humane embryonale Stammzellen im Labor gezüchtet werden, wie dies Arbeitsgruppen an den Universitäten Bonn und – nach jüngsten Meldungen – auch in Kiel – vorhaben. Dort soll mit exportierten humanen embryonalen Stammzellen experimentell gearbeitet werden. Dabei müsste aber – wie im Experiment bei Thomson – eventuell die Bildung ganzer Embryonenanlagen befürchtet werden.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet kompromisslos die Erzeugung humaner embryonaler Stammzellen, nicht aber ihre Einfuhr, worauf sich die Wissenschaftler-Gruppen an den Universitätskliniken Bonn und Kiel stützen. Die von ihnen geplanten Experimente – das Bonner ist inzwischen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch die Ethikkommission der Universität genehmigt – dürften aber nicht stattfinden, sollten humane embryonale Stammzellen sich als totipotent erweisen. Denn die Nutzung totipotenter Zellen ist in Deutschland strikt untersagt.

Wie sich isolierte embryonale Stammzellen weiterentwickeln, hatten die Wissenschaftler zunächst in Versuchen mit Mäusen feststellen wollen. Die Experimente endeten mit dem Ergebnis, dass neue Embryonen nicht entstehen. Das lasse, meint Professor Denker, keine zuverlässigen Schlüsse auf die Entwicklung bei Primaten oder gar dem Menschen zu, denn bei ihnen verlaufe die frühe Embryonalentwicklung anders.

Auf der Abbildung, die Denker in der Veröffentlichung aus dem Jahre 1996 in Alarm versetzt hatte, waren statt einer Zellmasse denn auch Dottersack, Amnionhöhle, embryonale Membranen und Trophoblast zu erkennen und sogar ein sogenannter Primitivstreifen. Das ist die erste und wichtigste Symmetrieachse werdenden Lebens, die Voraussetzung für die Festsetzung eines Embryos im Muttergewebe. Thomson selbst beschreibt das so: „Dies entspricht ungefähr der Stufe der Primitiv-Streifenbildung im normalen Primatenembryo“.

Thomsons Versuch hätte in anderen Arbeitsgruppen wiederholt und fortgesetzt werden müssen, um wirklich Aussagekraft zu erhalten. Das ist nach Denkers Erkenntnissen – er hat in allen wissenschaftlichen Datenbanken nach Hinweisen gesucht – offenbar nicht geschehen. Bereits seit zwei Jahren bemühte er sich deshalb selbst in Wisconsin um den Kauf von Zelllinien der Weißbüscheläffchen. Stattdessen beginnt er seine Arbeit notgedrungen mit Zellkulturen von Rhesusaffen: Die weltweit tätige Firma WiCell, bei der Denker eingekauft hatte, hat noch keine Ausfuhrgenehmigung für Zelllinien der Weißbüscheläffchen. Sie sollen nun später in Essen eintreffen.

Redaktion: Monika Rögge, Telefon (02 01) 1 83 – 20 85
Weitere Informationen: Prof. Hans-Werner Denker, Telefon (02 01) 7 23 – 43 80

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