Technisches Design des Forschungsschiffes Aurora Borealis bekanntgegeben

Der starke Eisbrecher, der als wissenschaftliches Bohrschiff und Mehrzweck-Forschungsplattform dienen wird, wurde mit der neuesten Technik ausgestattet, damit er ganzjährig in polaren Gewässern eingesetzt werden kann.

Für die technische Konstruktion und Planung wurden der Aurora Borealis 5,2 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie 4,5 Millionen Euro über das EU-finanzierte ERICON-Projekt („European research icebreaker consortium“) zur Verfügung gestellt. ERICON vereint 15 Mitglieder aus 10 europäischen Nationen, darunter Norwegen und die Russische Föderation, und wird unter dem Themenbereich „Umwelt“ des Siebten Rahmenprogramms finanziert.

Das Arktis-Forschungsschiff zu konstruieren, war keine leichte Aufgabe: es muss in der Lage sein, Packeis zu durchbrechen, man muss es ganz genau auf Position halten und an ihm in einer abgelegenen Region Reparaturen ausführen können. Bei den technischen Einzelheiten der Aurora Borealis musste berücksichtigt werden, dass in tiefem Wasser gebohrt werden muss, dass Daten gesammelt werden und dass zu einer Jahreszeit, in der die arktische Region nicht befahrbar scheint (Spätherbst, Winter und Vorfrühling), Laboratorien an Bord betrieben werden.

Lester Lempke zufolge, einem an diesem Projekt beteiligten Ingenieur, mussten die Konstrukteure ein wartungsfreundliches und leicht zu handhabendes Konzept für den Betrieb, die Instandhaltung und Reparatur in einer abgelegenen Region entwickeln. Vorhandene Technik, die in Ölbohrschiffen eingesetzt wird, war für die Arktis nicht robust genug: Wasser und Eis üben dort ganz andere Kräfte auf einen Schiffsrumpf aus. „Wir haben sofort gesehen, dass die Technik für den Einsatz im Eis nicht weit genug entwickelt war“, sagt Lempke. Die Ingenieure haben einen speziellen, bühnenartigen Rumpf mit einer neuartigen Anpassung an die Wasserlinie konstruiert, erklärt er den CORDIS-Nachrichten gegenüber. Der Rumpf musste eine spezielle „Schulter“ und Seiten bekommen, mit denen das Eis seitlich gebrochen wird und die dem Brechdruck des Eises standhalten. Die Aurora Borealis wird über einen mechanisch stabilen Rumpf aus Qualitätsstahl verfügen, der an der Wasserlinie optimal geformt ist.

Eine weitere Innovation ist die Anpassung der Propeller und Strahlruder des Schiffes. Diese Vorrichtungen müssen stabil und präzise sein und sich in Schächten befinden, damit sie in gefährlichen Situationen oder einfach zu Reparatur- bzw. Wartungszwecken eingezogen werden können. Am Heck sind Propeller angebracht, und am Bug sowie an den Seiten des Schiffes befinden sich einige Querstrahlruder. Jedes Strahlruder hat einen Durchmesser von 4,6 Metern und benötigt 4,5 Megawatt Antriebsleistung. Ein besonderes Konstruktionsmerkmal der Aurora Borealis sind zwei sieben mal sieben Meter große „Moon Pools“, durch die Forschungsfahrzeuge oder Bohrausrüstungen vom Innern des Schiffes aus eingesetzt werden können. Die „Moon Pools“ haben die Form durchgängiger, vertikaler Schächte, die sich vom tiefsten Innern des Rumpfes bis in das Wasser erstrecken. Da die Geräte aus dem Innern des Schiffes ins Wasser abgesenkt werden können, vermeiden die Forscher die Gefahren, die von Wind, Wellen und Eis ausgehen. So können zum ersten Mal sehr empfindliche und teure Ausrüstungen wie ferngesteuerte oder autonome Unterwasserfahrzeuge unter die Eisschicht ins Wasser gebracht werden. Rings um den „Moon Pool“ sind Laboratorien auf den verschiedenen Decks geplant, es können aber auch Laborcontainer auf das Schiff verladen und vollständig in den wissenschaftlichen Arbeitsablauf an Bord integriert werden.

Die neue Rumpfform sowie die Platzierung und Ausführung des Antriebs wurden zunächst in den Eistanks der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt in Deutschland sowie bei Aker Arctic in Helsinki, Finnland, erprobt. In diesen umfangreichen Tests konnte nachgewiesen werden, dass die Aurora Borealis tatsächlich in der Lage ist, sich bei einer Eisdecke von mehr als zwei Metern dynamisch zu positionieren. Der Maschinenraum und die Elektrik des neuen Schiffes sind mit höchst sicheren und redundanten Elementen ausgestattet.

Was bei der Entwicklung dieses bedeutenden Schiffes besonders zu berücksichtigen ist, ist die Tatsache, dass es sehr abgelegene Regionen erforschen wird und dass es aus sehr schweren Bauteilen besteht. Schließlich wird es fernab jeglicher Werften sein und vor Ort gewartet werden müssen. Wissenschaftliche Bohrungen im Arktischen Ozean sind entscheidend für die Bemühungen, die großen Lücken in den Daten zum Klimawandel zu füllen. Mit dem Bohrturm der Aurora Borealis werden Bohrungen von mehr als 1.000 Metern in den Meeresboden – bei Wassertiefen von 100 bis 5.000 Metern – möglich sein. Mit dem dynamischen Positionierungssystem des Schiffes, das aufgrund seiner Fähigkeit, im driftenden Eis zu manövrieren, eine wahre Neuheit ist, werden Bohrungen und wissenschaftliche Forschung auch unter diesen extremen Umweltbedingungen ermöglicht. Es ist wichtig, dass die wissenschaftlichen Beobachtungen ganzjährig durchgeführt werden, um das dynamische System der Polarregionen verstehen zu können.

Die Aurora Borealis ist auf dem besten Wege, die Fragen zur geologischen Geschichte und zum Klima des Arktischen Ozeans zu beantworten. Die 60 Wissenschaftler, die an den geplanten internationalen Forschungsexpeditionen mitwirken werden, hoffen auch darauf, den Schadstofftransport per Luft, Wasser und Eis messen zu können. So könnten sie die Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf die Umweltbedingungen in der Arktis quantitativ bestimmen. Die Aurora Borealis wurde in die Prioritätenliste des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen der Europäischen Kommission aufgenommen.

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