Fair Play – eine Frage des Selbstbilds?

Fair gehandelte Produkte könnten von der Bereitstellung von Informationen profitieren, da sie das Verhalten der großen Gruppe variabel Entscheidender maßgeblich beeinflusst. S. Hofschlaeger/pixelio.de<br>

Warum verhalten sich Menschen eigennützig und nehmen negative Konsequenzen für andere in Kauf?

Dieser Frage sind Astrid Matthey und Tobias Regner vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik in einem Laborexperiment nachgegangen. Ihr Ergebnis: Verhalten hängt oft davon ab, ob Informationen über die Konsequenzen für Dritte ausgeblendet werden können. Nach Ansicht der Forscher lassen die Ergebnisse Rückschlüsse darauf zu, wie sich beispielsweise fair gehandelte Produkte besser vermarkten lassen.

Die Forscher ließen 90 Probanden in jeweils vier Runden Geldbeträge zwischen sich und anonymen Mitspielern aufteilen. Dabei erhielten die Probanden in einigen Durchgängen genaue Informationen darüber, wie sich ihre Entscheidungen auf die Auszahlungen an ihre unbekannten Mitspieler auswirken würden. In anderen Durchgängen konnten die Probanden selbst entscheiden, ob sie sich über die Konsequenzen ihrer Aufteilungsentscheidung für ihre Mitspieler informieren wollten, oder ob sie diese Informationen lieber ausblendeten. „Wir fanden, dass es zwar Menschen gibt, die unter allen Bedingungen eigennützig oder fair agieren“, erläutert Tobias Regner die Ergebnisse. „Viele Menschen aber bewegen sich in der Grauzone: Sie agieren fair, wenn ihnen die Konsequenzen ihres Handelns für andere klar sind. Bietet sich jedoch die Möglichkeit, diese Konsequenzen auszublenden, dann tun sie dies, und handeln eigennützig.“

Welche Beweggründe stecken dahinter? Die Jenaer Experimentalökonomen haben im psychologischen Konzept der „kognitiven Dissonanz“ eine Erklärung für dieses Verhalten gefunden: Demnach treffen Menschen bevorzugt Entscheidungen gemäß ihrem Selbstbild. Halten sie sich z.B. für „fair“ oder „großzügig“, vermeiden sie Handlungen, die eindeutig egoistisch sind, um nicht in Widerspruch zum eigenen Selbstbild zu geraten. Ist es ihnen jedoch, wie im vorliegenden Experiment, möglich, Informationen zu den Konsequenzen für Dritte zu ignorieren, lässt sich ein positives Selbstbild auch bei egoistischem Verhalten leichter aufrechterhalten. „Wenn die Konsequenzen klar ersichtlich sind, entscheiden sich viele Teilnehmer für faires Verhalten“, berichtet Astrid Matthey: „Besteht jedoch die Möglichkeit, die Konsequenzen auszublenden, fällt eine „großzügige“ Entscheidung deutlich schwerer, viele wechseln dann zu der egoistischen Alternative.“

Politiker sollten bei diesen Ergebnissen aufhorchen. Denn nach Meinung der Forscher lassen sich diese direkt auf die Entwicklung von politischen Förderinstrumenten zum Beispiel von nachhaltigem Konsumverhalten anwenden: „Wir glauben, dass die Bereitstellung von Informationen von zentraler Bedeutung für das Verhalten der großen Gruppe variabel Entscheidender ist“, so Regner. Der Rat der Forscher: Würden beispielsweise die Bedingungen der Kaffee- oder Bekleidungsproduktion unübersehbar auf der jeweiligen Verpackung abgedruckt, würde es vielen Menschen schwerer fallen, sich für ein unfair gehandeltes, aber billigeres Produkt zu entscheiden. „Unter diesen Bedingungen würden wir einen höherer Absatz zum Beispiel von Produkten mit „Fairtrade“-Siegel erwarten“, so Regners Kollegin Matthey.

Originalpublikation:

Astrid Matthey und Tobias Regner
Do I Really Want to Know? A Cognitive Dissonance-Based Explanation of Other-Regarding Behavior

Games, 2, 114-135 (2011); doi: 10.3390/g2010114

Kontakte:

Dr. Astrid Matthey
Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
Telefon: +49 3641 686-644
Fax: +49 3641 686-667
Tobias Regner, Ph.D.
Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
Telefon: +49 3641 686-635
Fax: +49 3641 686-667
E-Mail: regner@econ.mpg.de
E-Mail: matthey@econ.mpg.de

Media Contact

Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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