Neue Wege der Schweinefütterung – "Precision digestion" wird angestrebt

Beim Tag der Agrarwissenschaften der Universität Göttingen stellte Prof. Hansjörg Abel vom Institut für Tierphysiologie und Tierernährung Untersuchungen zur Verdauungsphysiologie vor. Schwäbisch Hällische Schweine oder moderne Gebrauchskreuzungen wurden entweder mit einer Grundration auf Basis von Getreide und Soja gefüttert oder mit Zulagerationen, die Zuckerrübenschnitzel oder Erbsenschalen enthielten.

Beide Zulagen zeichneten sich durch hohe Anteile von Gerüstkohlenhydraten aus, die nur mikrobiell aufgeschlossen werden können. Die Versuche sollten klären, wie sich die Gerüstkohlenhydrate verdauungsphysiologisch auswirken und ob Unterschiede zwischen Schweinen einer modernen Kreuzung und einer alten Landrasse bestehen.

Zuckerrübenschnitzel erhöhten unabhängig von der Tiergenetik in sämtlichen Abschnitten des Verdauungstraktes die Wasserbindungskapazität des Verdauungsbreies. Die Erbsenschalen wirkten Abel zufolge eher mindernd auf die Wasserbindung. Die Fütterung von Zuckerrübenschnitzeln führte zur Verkürzung des Dünndarms, während sich der Dickdarm ausdehnte. Die Gebrauchskreuzungen verfügten insgesamt über einen längeren Darm als die Schwäbisch Hällischen.

Abel führt die höhere Wasserbindung der Zuckerrübenschnitzel und die damit verbundene Viskosität auf deren hohen Anteil an so genannten löslichen Nicht-Stärke-Polysacchariden zurück. Dieser wirke sich auch auf die Passagerate des Verdauungsbreies und die Morphologie des Darms aus. Erwartungsgemäß verdauten die faserreich ernährten Schweine mehr Gerüstkohlenhydrate als die nur mit der Grundmischung versorgten Tiere.

Überraschenderweise gab es aber keine Unterschiede zwischen den genetischen Herkünften. Die modernen Schweine haben also ihr Potenzial, rohfaserreiche Kost zu verdauen, nicht verloren.

Abel wies darauf hin, dass Gerüstkohlenhydrate auch Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben können. Dänische Wissenschaftler versorgten Schweine mit einer Ration aus Gerste, Inulin und Zuckerrübenschnitzeln und infizierten die Tiere gezielt mit Würmern. Bei dieser Fütterungsvariante stellten sie ein deutlich geringeres Vorkommen der Darmparasiten fest.

Die mikrobiellen Umsetzungen im Darm wirken sich auch auf die Produktqualität aus. Wenn die essentielle, mit dem Futter zugeführte Aminosäure Tryptophan im Darm von Milchsäurebakterien umgesetzt werde, entstehe über mehrere Zwischenstufen Skatol, so Abel. Diese Substanz kann letztlich im Fettgewebe eingelagert werden und den Geschmack des Fleisches beeinträchtigen.

Abel betonte, dass die Verdauungsvorgänge im Darm des Schweines außerordentlich komplex seien. Die moderne Ernährungsforschung müsse also mehr als die Umsetzung von Futterenergie und Nährstoffen in tierische Erzeugnisse verfolgen.

In der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Futtertechnologen, Züchtern, Physiologen, Hygienikern werde man daran arbeiten, analog zum „precision farming“ im Ackerbau „precision digestion“, also „Präzisionsverdauung“ unter Ausnutzung und Förderung natürlicher, ganz wesentlich im Intestinaltrakt lokalisierter Abwehrmechanismen bei Schweinen zu entwickeln.

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Dr. Ute Zöllner aid infodienst

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